Pflastermalen am Südtiroler Platz: ein Abenteuer…tun & lassen

Freiheit für die bunten Kreiden!

Ein Kreis von Kreide-Kreativen nahm eine AUGUSTIN-Anregung auf und versucht, an die beinahe ausgestorbene Tradition der Pflastermalerei anzuknüpfen. Nach gemeinsamem Malen in den Workshops der „Neuen Wiener Schule des Pflastermalens“, so wurde das Experiment stolz genannt, wagen sich nun einzelne AsphaltkünstlerInnen in die „freie Wildbahn“. AUGUSTIN-Verkäufer Südtirolerplatz-Günther ist so einer. Ihm geht es weniger um eine zusätzliche Einnahmequelle. Vielmehr will er – bunt auf grau – Zeichen setzen gegen die Reglementierung alles Lebens (und aller Kunst) im öffentlichen Raum. Nicht immer gehen diese Einschränkungen aber von der Politik oder von den Sicherheitsbehörden aus: Manchmal spielt der Nachbar, der sich für einen Vertreter der Anständigen hält, die Polizei. Hier die Notizen des Straßenmalers Günther nach einem Vorfall am 14. Oktober…Im Rahmen des AUGUSTIN-Projekts „Neue Wiener Schule des Pflastermalens“ lud ich – an einem Oktobertag in der Vollmondphase – zwei Schülerinnen ein, mit mir am Südtiroler Platz zu malen. Ich lud sie sozusagen ein, das Grauschwarz des öffentlichen Gehsteigs lustig zu verschönern.

Nachdem wir ein ca. fünf Meter langes Plätzchen mit geliehenem Besen gereinigt hatten, begannen wir, bunte Bilder in das Grau zu setzen. Zweieinhalb Stunden brauchten wir, um eine Grundskizze – zum Teil schon angefärbt – anzufertigen. Jede(r) von uns malte einen Teil des Gesamtbildes, und das Ganze sollte das Paradies darstellen. Wir versuchten also, unsere Kreativität in einer Art auszudrücken, die niemanden weh tut.

Die Reaktion der vorübergehenden Menschen war positiv, um nicht zu sagen phantastisch. Da es sich um einen Samstag handelte und die Fluktuation nicht zu groß war, hatten wir kein schlechtes Gewissen, den Gehsteig zu bemalen – die Passanten hatten rundherum genügend Raum, auszuweichen. Niemand regte sich auf, im Gegenteil, wir wurden sogar ein bisschen gesponsert.

Dann legten wir eine kleine Pause ein. Es ist ja allgemein bekannt, dass am Südtiroler Platz das Toilettenproblem zum Himmel stinkt. Das vorhandene öffentliche WC ist nur gelegentlich offen. Das Wischerln in die umliegenden Stauden in Notsituationen kann einem ohne weiteres 500 Schilling kosten, wie mir passiert. Wir gingen also lieber in ein nahes Beisl, wo wir uns auch erfrischten und mit einem Sandwich stärkten.

Frohen Mutes kehrten wir dann zurück zu unserem „Freiluftatelier“. Das kleine Vermächtnis, das wir dem Grau der Stadt entgegensetzten, war noch vorhanden, und wir wollten es weiter perfektionieren.

Uns gegenüber standen zwei Streifenwägen der Polizei, die sich auf irgendeinem der üblichen Südtiroler Platz-Einsätze befand, wurscht auf welchem. Die beiden Mädels trauten sich angesichts der Sicherheitsorgane nicht, weiter zu malen. Ich aber setzte mich hin, um die vorhandenen Skizzen mit Farben zu füllen. Doch stell dir vor, der Anstand in Form eines Hausmeisters – ansässig am Südtiroler Platz 2 – teilte mir mit: „Des is mei Gehsteig. Do kaunst net moin. Moi durt drübn beim Mistkübl!“

Meine Antwort: „Tschuldige, aber der Gehsteig g’hört net dir. Wenn einer drüberhatscht, is mir wurscht, weil Treppen machen die Farben net. Und dastessn tut sich keiner drüber. Was hast du gegen das Buntmachen der Stadt? Die Kinder rundherum freuen sich und malen gerne mit, es ist halt nur eine Form des Ausdrucks. Wir haben das Platzerl sauber gemacht, so sauber war es schon lang nicht. Und jetzt regst du dich auf? Wegen was?“

Nach kurzen Wortwechsel drohte der Hausmeister: „I kum glei mit zwa Kübl Wossa!“ Aus meiner Sicht gab es nichts mehr zu deklarieren, unser Rechtsstreit war absurd, wir waren uns darin einig, Kontrahenten zu sein. Er solle doch, riet ich ihm, hinüber zur Polizei gehen. Ich sei mir jedenfalls keinerlei Rechtsüberschreitung bewusst. Die Polizei müsse das genauer wissen…

Die Polizei aber konnte keinen Grund finden, einzuschreiten. Die Beamten sagten „Uns gefält’s eigentlich“ und verabschiedeten sich sehr höflich. Doch kaum waren die beiden Streifenwagen weg, kam der liebe Hausmeister, verstärkt durch seine Frau, mit zwei Kübeln Wasser. „Schleich di!“, sagte er. Ich war deswegen nicht unbedingt verärgert. Ich blieb einfach sitzen und malte weiter.

Die anschließende Wasserschlacht – die erste, die der Südtiroler Platz je gesehen hatt – überraschte mich dann doch. Zwei Kübel Wasser wurden über unser vielleicht nicht ganz perfektes, aber doch sehr annehmbares Bild geschüttet. Die Kreiden weggeschwemmt, meine Hose nass, alles nass. Ich saß einfach im Wasser. Daraufhin wurde sogar ich stur. In diesem Quatsch von Wasser und Kreide war ein Aquarell nicht mehr möglich. Aus diesem Grund begann ich, daneben ein kleines neues Bild zu malen. Sämtliche Passanten waren am meiner Seite und ermutigten mich. Zufällig vorbeikommende Studenten gesellten sich zu mir und malten mit. Ganz kleine Sachen. Wir machten die Erfahrung, dass unsere Straßenkreiden auf dem nassen Untergrund greller erschienen als normal. Eine Passantin gab mir den Tipp, das Ganze mit Haarspray zu fixieren. Was in die Tat umgesetzt wurde.

Das Bild war nicht sehr groß. Es war ein Paradiesvogel mit rotweißroten Flügeln. Wir fixierten den Vogel mit Haarspray. Siehe da, sieben Tage lang konnten sich die Leute an dem bunten Ding erfreuen.

Südtirolerplatz Günther

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