Pflege – wie weiter?tun & lassen

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Derzeit werden 80 Prozent der Pflegebedürftigen durch Familienangehörige betreut. 25 Prozent werden durch einen mobilen Dienst unterstützt, in stationärer Pflege befinden sich 15 Prozent der Pflegebedürftigen, und in der sogenannten 24-Stunden-Betreuung fünf Prozent. Es fällt auf, dass sich die öffentliche Pflegedebatte fast nur um fünf Prozent der Betroffenen gedreht hat und dass insgesamt den Großteil die Familie schultert, insbesondere Frauen. Pflegende Angehörige stehen unter psychischem und physischem Dauerstress. Sie bekommen rhetorische Anerkennung für ihre aufopfernde Arbeit, in dieser Arbeit selbst aber werden sie allein gelassen.

Erst bei massiver Überlastung wird nach Unterstützung gesucht, und nicht schon vorher. Es fehlen die soziale Infrastruktur und das gesellschaftliche Selbstverständnis dafür. Während pflegende Männer überwiegend bereits im Pensionsalter sind, ist mehr als die Hälfte der pflegenden Frauen zwischen 40 und 60 Jahre jung. Frauen sorgen sich zuerst um die Kinder, dann pflegen sie selbstverständlich ihre Eltern und zum Schluss den Ehemann. Das bedeutet, dass sie es sind, die ihren Job aufgeben, massive Einkommenseinbußen hinnehmen, sich also für das eine oder das andere entscheiden müssen. Das muss nicht so sein: Auch in den skandinavischen Ländern werden 80 Prozent der Pflegebedürftigen von Familienangehörigen betreut, da gibt es aber eine bunte Palette von Dienstleistungen, die die Familien unterstützen.

Die Angebote müssten von Besuchsdiensten über Kurzzeitaufenthalte und Teilzeitbetreuung bis zur Übergangspflege reichen. Diese Dienstleistungen können hervorragend mobile, ambulante und stationäre Angebote kombinieren. Es braucht eine gute Versorgung mit FamiliengesundheitspflegerInnen, die Umfeld, Familie und Angehörige in den Mittelpunkt stellen. Die Family Health Nurse kommt in die Familie, schaut, koordiniert und hilft, schwierige Betreuungssituationen zu bewältigen, indem sie Infrastruktur und Support organisiert.

Es braucht ein legales 8-Stunden-Betreuungsangebot. Tagespflege ermöglicht es älteren Menschen, den Tag gemeinsam mit anderen zu verbringen und gleichzeitig versorgt und betreut zu sein abends kehren sie wieder nach Hause in ihre Wohnung zurück. Ein weiterer großer Vorteil dieses Angebots ist die Entlastung der pflegenden Angehörigen. Und es braucht alle Arten von Wohnen: vom betreuten und betreubaren Wohnen über Wohngemeinschaften bis zu Hausgemeinschaften und Wohnstiften.

Menschen mit Pflegebedarf möchten individuelle Arrangements und ein möglichst normales Alltagsleben. Die ersten Schritte zur Überwindung des medizinischen Modells der Pflege sind bereits sichtbar, stellt Kai Leichsenring vom Europäischen Zentrum für Sozialforschung fest. Über lange Jahre war Pflege eine Medizinsache, fand also im Krankenhaus oder in krankenhausähnlichen Heimen statt. Da ist einiges in Bewegung gekommen: die Umwandlung großer Einrichtungen, die Schaffung kleiner Wohneinheiten, die Pflege in familienähnlicher Umgebung.

Was in Österreich fehlt, ist die Integration von Gesundheits- und Sozialsystem, die Entwicklung eines eigenen Profils der Langzeitpflege. Es gibt eine Pflegelücke, es gibt aber auch Modelle, sie zu schließen.

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