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Er sammelte über 15 Jahre unzählige Daten zur Entwicklung von Einkommen und Vermögen, analysierte Statistiken und Steuerlisten der letzten zwei Jahrhunderte. Der Ökonom Thomas Piketty hat basierend auf umfangreichen Datenmaterial die Entwicklung von Einkommen und Kapital dargestellt.In seinem neuen Buch beschreibt er, dass die Einkommen aus Kapitalerträgen im 19. Jahrhundert über lange Zeit stärker stiegen als das wirtschaftliche Wachstum – und deshalb die ökonomische Ungleichheit zunahm. Denn möglicherweise, so Piketty, wachsen die Einkommen aus Kapitalgewinnen auch in den kommenden Dekaden stärker als die Gesamtwirtschaft. Der gesellschaftliche Reichtum sei zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht anders verteilt als vor hundert oder zweihundert Jahren. Heute wie damals gebe es eine kleine Gruppe extrem reicher Menschen, die über einen gewaltigen Teil aller verfügbaren Einkommens- und Vermögenswerte verfügen, während der weitaus größere Teil der Menschheit wenig mehr besitzt als die Arbeitskraft, die er zu Markte trägt.

«Soziale Ungleichheit belebt die Wirtschaft. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Steuererleichterungen für die Vermögenden nützen allen», so hieß es die letzten Jahre, besonders auch aus dem Mainstream der Wirtschaftswissenschaften. Piketty zeigt anhand von Statistiken und Steuerlisten, die einen Zeitraum von 200 Jahren umfassen, dass das nicht stimmt.

Vermögen ist dynastisch, vermehrt sich durch Erbschaft. Reich wird man nicht durch Arbeit, sondern durch den Zufall der Geburt. Das Kapital, so argumentiert er, ist blind. Sobald seine Rendite das Realwachstum von Löhnen und Produktion übersteigt, wie dies in der Geschichte stets der Fall war – wächst das Kapital schneller als die Wirtschaft. Die Ungleichheit der Vermögen steigt exponenziell. Die Formel lautet «r >g», wobei «r» für die Kapitalrendite steht («return of capital») und «g» für das Wirtschaftswachstum («economic growth»). Sie bedeutet nicht nur, dass sich alle «Scheren» in der Verteilung von Reichtum immer weiter öffnen müssen, allein schon, weil sich die Kapitalrenditen fortlaufend akkumulieren, sondern auch, dass diese Unterschiede in Zeiten niedrigen Wachstums – gegenwärtig mögen es im Schnitt der westlichen Industrieländer 1,5 Prozent im Jahr sein – besonders groß ausfallen.

In der kühlen Analyse überrascht ein Satz: «Es ist wahrscheinlich, dass sich die Verhältnisse aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im 21. Jahrhundert wiederholen», sagt Piketty. Gehen wir in Richtung einer Gesellschaft, in der eine kleine Schicht sehr mächtiger und sehr reicher Leute alle wesentlichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereiche durch finanzielle, wirtschaftliche und politische Macht dominiert und die eigene Macht auch über weitere Generationen hinweg erhalten kann? Ja, sagt Pikettys Datenwerk. Wenn wir nicht gegensteuern.