Selektives Come Home Movementtun & lassen

Fast alle Abschiebungen nach wie vor im Schatten medialer Aufmerksamkeit

Komani Come Home, dieser Imperativ ist in Österreich inzwischen sehr populär geworden. Speziell in der oberösterreichischen Stadt Steyr, wo die beiden in den Kosovo abgeschobenen Mädchen Daniella und Dorentina Komani lebten, hat der zivile Widerstand alle sozialen Schichten und alle politischen «Lager» erfasst: eine Art Stuttgarter Klima ist wahrzunehmen. Hier ist der Unternehmer Erich Schlagitweit zum Protagonisten der Heimholaktion geworden. Ein Staat, der gegen Kinder bürgerkriegsartige Polizeieinsätze inszeniert, schockiert selbst Menschen, die im allgemeinen Straches Stammtisch-Ressentiments teilen.Doch nach wie vor passieren die allermeisten Abschiebungen im Schatten der medialen und zivilgesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Diese ist zudem sehr selektiv: Wenn Roma-Familien oder erwachsene männliche Flüchtlinge nigerianischer Nationalität weggejagt werden, scheint der Emotionsvorrat erschöpft zu sein. Im Schnitt werden pro Monat rund 200 Personen aus Österreich abgeschoben. Bis August waren es 1.667. Die martialischen «Abschiebetrupps» kommen meist überfallsartig in den frühen Morgenstunden, als handle es sich bei den Familien um die gefährlichsten Terroristen. Bis zum Jahresende müssen rund 240 Kinder mit ihren Eltern Österreich verlassen, wenn der Polizeiministerin die Fortführung ihrer Politik gewährt wird.

Die meisten Familien, deren Asylanträge abgewiesen werden, kommen aus Tschetschenien und dem Kosovo. Flüchtlinge aus dem afrikanischen Raum und Asien sind größtenteils alleinstehende Männer. Die meisten negativen Asylbescheide hatten 2009 Flüchtlinge aus Tschetschenien, Nigeria, Afghanistan und dem Kosovo. Flüchtlinge aus diesen Ländern bekommen von den österreichischen Behörden zu hören, man könne dort ohne Angst leben. Folgende Fakten zeigen das Gegenteil.

Die Situation im Kosovo

Im Kosovo finden vor allem Roma, die aus Deutschland und Österreich zurückgeschickt werden, eine dramatische Situation vor. Kinder, die etwa in Wien geboren wurden und/oder hier die Schule besuchten, sind im Kosovo oft vom Schulbesuch ausgeschlossen, da sie meist weder Serbisch noch Albanisch sprechen. Stephan Dünnewald, Mitarbeiter der deutschen NGO Pro Asyl, der kürzlich im Kosovo unterwegs war: «Teilweise leben die Leute regelrecht im Dreck, die Kinder sind völlig verwahrlost und durchsuchen Müll nach Essbarem». Vielen fehlen die nötigen Papiere, um Sozialhilfe beantragen zu können oder die Kinder in der Schule anzumelden. Auch ihre früheren Häuser können sie nicht zurückfordern, da sie keine entsprechenden Dokumente besitzen. Manche stranden schon am Flughafen und wissen nicht wohin. Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben Roma angesichts einer allgemeinen Arbeitslosenrate von mehr als 50 Prozent ohnehin nicht. Viele Roma, so berichtet Dünnwald, tauchten nach kurzer Zeit unter und reisten illegal zurück nach Westeuropa.

Die Situation in Nigeria

Nigeria war in den 60er Jahren ein Land, das sich selber ernähren konnte. Damals funktionierte das Eisenbahnsystem, das Land besaß eine eigene Schifffahrtslinie, und wenigstens ein Teil der Gewinne der Ölindustrie kam der Bevölkerung zu gute. Das heutige Nigeria wird vom Schriftsteller Niyi Osundare, der wie fast alle Intellektuellen des Landes im entwickelten Ausland lebt, so charakterisiert: «Nigerias Herrscher sind auf mehr als eine Weise Diebe. Erstens fahren sie fort, unser Geld zu stehlen, jene Gelder, die für die Entwicklung unseres Landes verwendet werden sollten. Zweitens haben sie unser Wahlmandat gestohlen, weil sie weiterhin Wahlen fälschen und uns Leute aufzwingen, die nie gewählt wurden. Der dritte Punkt und dies ist der wichtigste ist der, dass sie unsere moralische Essenz gestohlen haben. Nigeria ist zu einem Land geworden, in dem es zunehmend schwer fällt, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden () Unsere Wirtschaft liegt in den letzten Zügen, viele Menschen haben Nigeria schon verlassen, weil sie genug haben von Korruption, Ineffizienz und Perspektivlosigkeit. Dieses Land ist unbewohnbar geworden.» Unglaublich, dass Fekter in dem Maß die Abschiebung von NigerianerInnen (darunter auch AugustinverkäuferInnen) forciert, in dem die Gesellschaft dieses Staates zerfällt.

Die Situation in Afghanistan

Das Comeback der Taliban scheint unaufhaltbar zu sein. Und das, obwohl sich die Menschen noch sehr genau an die Folgen der Taliban-Herrschaft erinnern: Fernsehen war verboten, ebenso Hochzeiten mit Musik und Tanz, wo Männer und Frauen zusammen feiern. Ehebrecherinnen wurden bis zur Hüfte in eine Grube gesteckt, dann durfte die Menge sie steinigen. Eine mehrfache Enttäuschung begünstigt das Comeback der Taliban: Milliarden Dollar an westlicher Hilfe bewirkten nichts außer der Füllung der Konten ausländischer Berater und einheimischer Politiker; immer wieder werden Zivilisten durch amerikanische Luftangriffe verletzt; das selbstherrliche Benehmen der ausländischen Truppen steigert das Gefühl der Erniedrigung. Nach westlichen Umfragen ziehen selbst die Frauen, die am meisten unter dem Taliban-Regime litten, eine etwaige Koalitionsregierung mit Taliban-Beteiligung der aktuellen Unsicherheit vor, die nicht mehr auszuhalten ist und das ganze Land erfasst hat. Dort, wo die Taliban neuerdings oder nach wie vor herrschen, etwa in der Provinz Helmand, sind inzwischen die ärgsten Verbote aufgehoben so das Fernsehverbot oder die Vorschrift, dass die Bärte der Männer so lang sein müssen, dass sie diese in der Faust halten können.

Für die Abschiebebürokraten im Auftrag Fekters sind solche Infos irrelevant. Vielleicht wären sie die ersten, die im Ausland um Asyl ansuchten, sollte Österreich ähnlich unbewohnbar werden. Um dann von Beamten ihres Schlages mit dem Argument, die Beschreibung der Zustände im Heimatland sei übertrieben, abgewiesen zu werden?