Sie sind verliebt? Können Sie sich das überhaupt leisten?tun & lassen

Wie binationale Ehen verhindert werden – und warum

Liebe durchbricht Grenzen! Aber was, wenn der Staat die Grenzen immer höher zieht? Lisa Bolyos hat nachgefragt, was man am besten tut, wenn man von binationaler Verliebtheit betroffen ist.

Foto: Ehe ohne Grenzen

Georg Schwanninger* hat sich verliebt. Wunderbar! Seine Frau hat er über Social Media kennengelernt, gemeinsame Interessen haben sie zusammengebracht, und schon bei den ersten Skypegesprächen das Gefühl, «endlich die Person getroffen zu haben, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will». Amanda Akullo* lebt in Uganda. Dort hat Georg sie besucht und sie haben, nachdem sie bestätigt fanden, was sich schon über die Distanz abgezeichnet hatte – Wir gehören zusammen! – geheiratet. Wir gratulieren!

Ein bisschen anders sieht das der österreichische Staat. Der ist seit dem novellierten Fremdenrecht 2006 im Zwiespalt. Denn eigentlich ist Heiraten immer noch ein hohes Gut, sozusagen eine finanzielle und rechtliche Empfehlung an alle mehr oder weniger Verliebten. Aber bei der gemeinsamen Zukunft behält man sich ein bisschen Mitsprache vor. Vor 2006 hat die Ehelichung der Partnerin oder des Partners bedeutet, dass Aufenthaltstitel und Arbeitsbewilligung erteilt werden. Sprich: Eine österreichische Staatsbürgerin heiratet ihren indonesischen oder US-amerikanischen Partner, sie können gemeinsam in Österreich wohnen, arbeiten und ihr Leben gestalten – wenn sie das wollen. 2006 trat ein novelliertes Gesetz in Kraft: Nunmehr muss nach der Heirat ein Antrag auf Familienzusammenführung gestellt werden. Der kann mitunter sehr viel Zeit in Anspruch nehmen; und er kann auch abgelehnt werden.

Liebe ist was für reiche Akademiker_innen

Georg und Amanda haben, Vorzeigefamilie, ein Jahr nach der Hochzeit ein Kind bekommen. Nino* ist österreichischer Staatsbürger. Aber wie die Natur es so will, stillt Amanda ihn, er bleibt also vorerst bei ihr. Georg fliegt frohen Mutes nach Wien zurück, um die Familienzusammenführung zu organisieren. Sollte ja nicht so schwer sein. Denkste!

Wieso kommt man auf die Idee, Eheleute daran zu hindern, zusammen in Österreich zu leben? Richtig, weil man annehmen könnte, wenn Heiraten so eine einfache Rutsche zum Aufenthaltstitel ist, wird massig geheiratet und das Aufenthaltsgesetz somit einfach umgangen, oder, sagen wir: genützt. Also möchte man wissen, ob zwei Leute wirklich ganz heiß ineinander verliebt sind oder nur in die Papiere. Kann man anmaßend finden, weil es die Privatsphäre verletzt, aber gut, schlucken wir’s. Zwei bis drei Paare werden in Österreich jährlich wegen «Scheinehen» zum Zwecke der Aufenthaltssicherung verurteilt. Das sind Zahlen, die man sich angesichts des behördlichen Aufwands, der ihnen gegenübersteht, auf der Zunge zergehen lassen muss. Würde man nun Georg und Amanda den fremdenpolizeilichen Investigationen aussetzen, würde wohl rauskommen, dass sie ein echtes Liebespaar sind, eines derer – in Österreich wahrscheinlich gar nicht mehr so häufigen –, das aus Liebe geheiratet hat, und nicht wegen des steuerlichen Vorteils oder weil es die Großeltern so wollten. Weil das Aufenthaltsgesetz aber mehr und mehr zu einem Gesetz verkommt, das Aufenthalte verhindern soll, wurden folgende Barrieren eingebaut: Erstens muss man für die Familienzusammenführung nachweisen, dass man Deutsch auf A1-Niveau kann. «Das klingt jetzt nicht so tragisch», sagt Sandra, die bei der Initiative «Ehe ohne Grenzen» in der Beratung tätig ist. «Man denkt sich vielleicht, so ein A1-Diplom schafft doch jeder. Aber wer gar nicht oder nicht im lateinischen Schriftsystem alphabetisiert wurde oder keinen Zugang zu Deutschkursen hat, weil man irgendwo lebt, wo es kein Sprachinstitut gibt, wird sukzessive ausgeschlossen.» Statt der Deutschkenntnisse kann man auch ein Äquivalent zu «österreichischer Hochschulreife» nachweisen; sprich, es ist dem Gesetzgeber entgegen aller Deutschsprechgebote eigentlich egal, ob sie Deutsch können – aus der hochgebildeten Schicht sollten sie halt kommen.

Zweitens, der österreichische Part muss genügend Wohnraum und ein Einkommen nachweisen, das die oder den Drittstaatsangehörige_n ökonomisch miterhalten kann. Dieses Einkommen liegt, rechnet man die Wohnkosten dazu, bei rund 1500 Euro. Georg Schwanninger bezieht Mindestsicherung, 800 Euro monatlich. Amanda kann zu dem Einkommen im Antrag nichts beitragen – schließlich arbeitet sie nicht in Österreich. Darf sie auch nicht. Die Einkommensforderung läuft unter dem Motto «Sozialstaat entlasten» – niemand darf hier herziehen, um dann «vom Staat» zu leben; eine sehr populäre Idee, denn sie schürt jene Konkurrenz, die so leicht zu schüren ist: zwischen den Ärmsten. Würde Amanda Akullo in Österreich Arbeitsmarktzugang haben, könnte sie gemeinsam mit Georg für das Kind und das eigene Auskommen sorgen und – sehen wir es im Interesse des Staates – zum BIP beitragen. «Wenn du arm bist, kannst du dich nicht in irgendwen verlieben. So eine internationale Liebe ist dann unleistbar» – das ist die Message, die bei Georg angekommen ist. Auch laut Claudia, ebenfalls Beraterin bei «Ehe ohne Grenzen», ist die Gesetzgebung eindeutig: «Es sind eigentlich nur noch Leute willkommen, die Geld haben und gebildet sind.»

Warum hat mir das niemand gesagt?

Was Georg Schwanninger nicht von der zuständigen Magistratsabteilung 35 erfuhr, und auch erst bei der zweiten oder dritten Beratungsstelle, die er aufsuchte: dass es eine EU-Gesetzgebung gibt, die ohne Familienzusammenführungs-Hürden auskommt. Und die geht so: Nützt man die EU-Freizügigkeit, lebt man also als EU-Bürger_in in einem anderen Land (zum Beispiel als Slowakin in Österreich) oder hat die Freizügigkeit einmal genützt, dann gilt EU-Recht. Der_die Ehepartner_in bekommt, auch wenn er_sie aus einem Drittstaat ist, Aufenthaltsbewilligung und Arbeitsmarktzugang. Es gilt nicht mehr «Deutsch vor Zuzug», und das Einkommen muss angemessen sein, aber nicht nachgewiesen werden. Als Georg Schwanninger das – reichlich spät – erfuhr, ist er «fast

zusammengebrochen vor Erleichterung. Das ist untragbar, was in Österreich abläuft. Da gibt’s eine Möglichkeit, und keiner sagt es dir.» Die MA 35, sagt Schwanninger, ist doch eine Behörde – «sollte die nicht für den Bürger da sein?» Gute Frage.

Monate dauerte es von dieser juristischen Erkenntnis bis die verdächtig langsam mahlenden Behördenmühlen den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zumindest angenommen hatten, sodass Amanda Akullo Anfang Mai ein Visum zur Einreise bekam. Jetzt heißt es, den Flug irgendwie finanzieren, und dann langsam und stetig zu dritt an der Zukunft bauen.

*Namen der Eheleute und des Kindes von der Redaktion geändert

Beratung:

www.verein-fibel.at

www.ehe-ohne-grenzen.at