Stopp. Jetzt reden wir.tun & lassen

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«Jung.pleite.abgestempelt» klingt einmal nicht gut. So heißt das Stück, das eine Handvoll junger Leute aus Graz auf die Bühne gebracht haben. Es zeigt Momente und Situationen aus ihrem schwierigen Lebensalltag: in der Psychiatrie, auf der Straße, in der Lehrstelle, in der Schule.

All das beruht auf erlebten und erfahrenen Situationen, die zeigen, auf welche Hindernisse, Konflikte und Herausforderungen junge Erwachsene bei ihrem Wunsch stoßen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und ihre Bedürfnisse nach einem in ihrem Sinn besseren Leben zu verwirklichen. Die Jugendlichen spielen Leben – ihr eigenes und damit das aller anderen. Das kann Denkanstöße verursachen – davor warnen sie augenzwinkernd im Programm. Jung, pleite, abgestempelt klingt nicht so gut. Es ist die eine Erfahrungsseite der Jugendlichen. Aber eben nur die eine. Die andere heißt: Stopp. Jetzt reden wir! Im Laufe dieser Theaterarbeit entwickelten sie Empfehlungen, Forderungen, Verbesserungsvorschläge. Es entstehen Analysen für das, was sie erfahren, Begriffe, um das zu begreifen, was sie in der Schule oder in der Psychiatrie erlebt haben. Insgesamt eine starke Form, über gesellschaftliche Verhältnisse zu verhandeln. Dieses sogenannte legislative Theater ist eine der vielen neuen Möglichkeiten, Mitbestimmung und Partizipation direkt zu organisieren – gerade für Menschen, die sonst nicht gehört werden.

 

Eine andere Idee dazu sind Bürger_innenräte. Sie können Einblicke und Lösungen erbringen, an die vorher nicht gedacht wurde. Sie beteiligen Bürger_innen aller Schichten, Einkommen und Herkunft an entscheidenden Fragen des Gemeinwesens. Die Auswahl erfolgt nach einem Zufallsprinzip. Das wird gerade in Vorarlberg erprobt. Nach diesem Vorbild können auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu Wort kommen: Menschen mit Behinderungen, Armutsbetroffene, Erwerbslose, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Weitere Instrumente dafür sind Gesprächsforen, in denen Betroffene mit Behörden- und Institutionenvertreter_innen in Dialog treten. Hier passen auch Methoden des oben erwähnten Theaters, um «Szenen des eigenen Lebens» zu spielen und anderen verständlich zu machen. Erfahrungen dazu haben in Österreich besonders die Behindertenselbstvertreter_innen und die Plattform «Sichtbar Werden» Armutsbetroffener gesammelt. Die Unterstützung von Selbstorganisation und der Bildung von Selbsthilfegruppen ist hier aber zentrale Voraussetzung für Partizipation und Mitbestimmung. Daran mangelt es in Österreich hinten und vorne.

 

Wenn über eine Verwaltungsreform oder über ein Demokratiepaket diskutiert wird, dann fällt auf, dass solche Modelle immer fehlen. Aber gerade da dürfen diejenigen nicht vergessen werden, die eine gute Verwaltung und gleichen Zugang zum Recht – egal ob arm oder reich – am meisten brauchen. Ein bürgerfreundliches und grundrechtsorientiertes unteres soziales Netz verbessert den Zugang. Barrieren auf den Ämtern verlängern die Notsituation. Gerade bei AMS oder Sozialamt sind verbesserte Rechtschutzangebote dringend erforderlich. Sozialanwaltschaften analog zu den Patient_innenanwaltschaften können zum Beispiel Interessen- und Rechtschutz für Betroffene sein. Modelle von Arbeitslosenanwaltschaften wurden bereits in Oberösterreich und Wien ausgearbeitet. Zeit, sie auch umzusetzen.