Überall nur Karlsplätze ….tun & lassen

Ist die Polizei unprofessionell? Oder ist die Profession selbst strukturell gefährlich?

Hast du Angst, du dreckiger Zigeuner? Der Augustin-Bericht dieses Titels, in der letzten Ausgabe erschienen, hat in praktisch allen größeren Medien Österreichs seinen Niederschlag gefunden. Die beiden Polizeibeamten vom Karlsplatz, Adressaten schwerer Diskriminierungsvorwürfe von Seiten slowakischer AugustinverkäuferInnen, sind in den Innendienst versetzt worden. Die Behauptung des Anwalts eines der beschuldigten Polizisten, die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, wird von der Polizeiführung nicht bestätigt.Noch einmal in Kürze die beiden Hauptvorwürfe an die Polizeibeamten. Sie hätten einen Augustinkolporteur gezwungen, sich nackt niederzuknien und die wiederholte Feststellung eines der Beamten, dass Zigeuner stinken, laut zu bejahen; weiters sei der Verkäufer, seine Frau und sein Sohn von dem Beamten mittels willkürlich vom Block gerissener Strafverfügungen, auf die eine Reihe von imaginären Delikten geschrieben wurden, um 168 Euro erleichtert worden.

Der Politikwissenschaftler Max Weber (18641920) forderte, der echte Beamte solle unparteiisch sein und vor allem ohne Zorn und Eingenommenheit seines Amtes walten.

Zu einem aufklärungsbedürftigen Zwischenfall kam es nach der Einvernahme der Frau und des Sohnes im Büro für besondere Ermittlungen (BEE). Statt nun auch die Zeugenaussage des Familienvaters entgegenzunehmen, wurde dieser vom einvernehmenden Beamten aufgefordert, die ausständige Geldbuße für alte Verwaltungstrafdelikte zu bezahlen. Weil der Augustinverkäufer die geforderte Summe von 260 Euro nicht bei sich hatte, wurde er sofort festgenommen und ins Polizeigefängnis gebracht. Der Protest der Augustin-Sozialarbeiterin Riki Parzer, die die Familie ins BEE begleitet hatte, blieb wirkungslos. Parzer: Ich dachte im ersten Moment, der Beamte scherze. Der Betroffene kann seine plötzliche Festnahme aus der Zeugeneinvernahme heraus nur als Rache des gekränkten Polizeikorpsgeistes interpretieren.

Augustin-Anwalt Lennart Binder bestätigte Parzers Kritik: Die Wahl des Zeitpunkts der Maßnahme sei zumindest fragwürdig. Nach Begleichung der Forderung ist der slowakische Staatsbürger freigelassen worden. Die APA verbreitete die Anschuldigung des Landespolizeikommandants Karl Mahrer, der Augustiinverkäufer verweigere die Aussage. Riki Parzer: Wahr ist vielmehr, dass unser Verkäufer erklärt hat, nur unter Beisein unseres Rechtsanwalts einvernommen zu werden.

Geht es in der öffentlichen Diskussion um Ursachen von Polizeigewalt, dominiert ein wesentlicher Erklärungsansatz: Übergriffe wären das Resultat individueller Defizite der Polizisten und der polizeilichen Arbeitsbedingungen, die durch Überlastung, Stress und Frustration gekennzeichnet seien. Dem gegenüber steht die Einsicht, dass aus strukturellen Defiziten im Polizeiapparat Gewalt resultiert, wenn diese nicht gar gefördert wird. (www.polizeigriff.org)

Der mutmaßliche Skandal in der Wachstube am Karlsplatz (oder die Causa Augustin, wie die Kronen Zeitung die Ereigniskette nennt) hat im Internet eine Welle von ähnlichen Beschwerden gegen Beamtenwillkür ausgelöst. Hab in Döbling beobachten können, wie sich drei Polizisten in Zivil auf einen Inder gestürzt haben, weil er kein Ausweis dabei hatte, und ihn auf das Widerlichste gedemütigt und angeschrien haben. Zwei Tage später sah ich ihn wieder Zeitung verkaufen, neugierig fragte ich ihn, was passiert sei. Er erzählte mir mit seinem witzigen Akzent, dass sie ihn zusammengeschlagen hätten. So lautet einer dieser Kommentare. Ein anderer: Habe schon Ähnliches miterlebt: Ca. 7 Polizisten (es wurde sogar Verstärkung angefordert) haben nahe des Stadtparks zwei harmlose Sandler dingfest gemacht. Die beiden mussten mit nacktem Oberkörper warten, bis die Verstärkung kam. Dann: einkreisen, demütigen und abführen mit Bus. Auf meine Frage, warum diese zwei Menschen verhaftet werden, wurde mir erklärt, dass das Tragen von Flaschen bedrohlich für die Passanten sei. Es waren Plastikflaschen.

Ernst Vitek, psychologischer Berater der österreichischen Polizei: Das Bild einer professionellen Polizei verlangt auch nach einer neuen Rollendefinition gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse: Bisher war diese eher reaktiv die Polizei hat Handlungen gesetzt und, wenn diese von der Presse bzw. Öffentlichkeit kritisiert wurden, stieß dies oft auf Unverständnis seitens der Polizeirepräsentanten. Die neue Polizei ist aufgefordert, ihr Bild in der Öffentlichkeit entsprechend zu vermarkten, was einen offenen und reflektierten Umgang mit Fehlern, die in einer großen Organisation auftreten, impliziert.

Eine Mitarbeiterin der Notschlafstelle Kuckucksnest berichtete von mehreren demütigenden Amtshandlungen gegen einen langjährigen Klienten dieser Obdachloseneinrichtung. Seinen letzten Polizeiarrest in der Nacht zum 26. Oktober habe er mit körperlichen Schmerzen verlassen. Er brachte ein Vernehmungsprotokoll in das Kuckucksnest mit, auf dem das Datum, die Dienststelle und die beteiligten Beamten der betreffenden Amtshandlung aufschienen. Als die Betreuerin sich an diese wandte, bekam sie zur Auskunft, dass der Mann unbekannt sei. Andere Bewohner hätten von Polizisten berichtet, die obdachlosen Menschen das bisschen Geld, das manche als kleine Pension erhalten, über Strafzettel abknöpften.

Gegenüber den von offizieller Seite abgegebenen Erklärungsansätzen steht der Begriff der polizeilichen Subkultur (Cop Culture). Er erklärt, warum Übergriffe zum größten Teil von unbeteiligten Beamten geduldet und gedeckt werden (Mauer des Schweigens): nämlich aufgrund einer falsch verstandenen Loyalität und einem daraus entstehenden Korpsgeist. (…) Die Entstehung der Cop Cultur steht in direktem Zusammenhang mit der Institution Polizei. Obwohl die Polizeibewerber während der Ausbildung meist nicht mehr kaserniert sind, findet diese nach wie vor abgeschottet vom Rest der Gesellschaft statt. (www.polizeigriff.org)