Widerstand gegen die Zerschlagung des Sozialministeriumstun & lassen

Comeback der 'Volksgemeinschaft'?

Für Arbeitslose, Arbeitsinspektoren und Arbeitnehmerschutz ist künftig nicht mehr das Sozialministerium zuständig, sondern der Wirtschaftsminister. Dahinter steckt die konservative Ideologie, zwischen Kapitalisten und Arbeiter gäbe es keinen Gegensatz mehr.Auf ArbeitnehmerInnen kommen harte Zeiten zu. Darauf weist unter anderem die „Plattform Arbeit“, eine Gruppe von ExpertInnen des öffentlichen Dienstes, hin. Denn im neuen Bundesministeriengesetz wurden die Bereiche Arbeitsrecht, ArbeitnehmerInnenschutz und Arbeitsmarktpolitik vom bisherigen Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales abgetrennt und dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. In keinem EU-Mitgliedstaat gibt es eine Eingliederung der Arbeitsagenden in ein Wirtschaftsressort in der Reichweite wie in Österreich.

Hier wandern nicht nur Hunderte Beamte von Elisabeth Sickl (FP) zu Martin Bartenstein (VP), hier wird auch grundsätzlich ein neuer Stellenwert für Arbeit definiert. Die neue Regierung hat die Zusammenlegung der Agenden für Wirtschaft und Arbeit mit der „Standortpartnerschaft“ begründet, welche nun besser wahrgenommen werden könne. Bartenstein will mit der Übernahme der Arbeitsmarktpolitik das „Klischee überwinden, dass es einen Gegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt“. Das kommentiert Michael Hahn im „Standard“ „ist sachlich falsch, denn Löhne und Gehälter sind ein Kostenfaktor, und Unternehmer haben legitimerweise die Tendenz, sie zu minimieren. Deswegen wird über die Verteilung der Einkünfte auch geordnet zwischen den Tarifpartnern verhandelt und gestritten.“

Dass das neue Ministerium ausgerechnet „Ministerium für Wirtschaft und Arbeit“ bezeichnet wird, erweckt außerdem Assoziationen an die unseligen Zeiten der „Volksgemeinschaft“. Ein Ministerium für Wirtschaft und Arbeit hat es schon einmal gegeben, nämlich durch Erlass des Reichsstatthalters am 30. Mai 1938, als das Sozialministerium mit jenem für Handel und Verkehr unter diesem Namen zusammengelegt wurde. Doch, so das Büro Bartenstein, ein Vergleich des neuen Ministeriums mit dem früheren „richtet sich von selbst“.

Allerdings hat man auch bei der Namensgebung des neuen Sozialministeriums unsensibel agiert: Dieses wird künftig „Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen“ heißen. Abgekürzt wird es mit „BMsSG“ und nicht mit „BMSSG“. Durch das kleine „s“ sollen Assoziationen mit belasteten Kürzel aus der Vergangenheit („SS“) unterbunden werden.

Auch wenn man davon in der Pressestelle offiziell nichts wissen will, hat sich im BMsSG Widerstand gegen die geplante Übersiedlung von Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz ins Wirtschaftsministerium formiert, von der knapp 200 Beamte direkt und weitere 4300 Arbeitnehmer (inklusive Arbeitsmarktservice) betroffen sind. In einer Resolution verwahrt sich der Dienststellenausschuss des Ministeriums eine Art Betriebsrat entschieden gegen den Übergang dieser Sektionen. Diese Bereiche gehören „seit jeher zum Kernstück des Sozialressorts“. Auch auf internationaler Ebene seien diese Bereiche ein wesentlicher Teil der Sozialpolitik. „Der Gegensatz von ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInneninteressen kann nicht geleugnet werden“, unterstreicht die

Resolution. Problematisch wird auch, daß zum Beispiel für Behinderte Sozialministerin Sickl zuständig ist, jedoch Bartenstein das Geld für die Integration von Behinderten im Arbeitsleben verwaltet. Ebenso ist Sickl zwar für Frauen zuständig, aber die Gelder für deren Qualifizierung und Wiedereinstieg hat wiederum Bartenstein über. Außerdem müssen zu Sozialräten der EU in Hinkunft zwei (zuständige) Minister anreisen, was Kosten und Administration erhöht.

Weiters schützten das Sozialministerium bisher die Mitarbeiter und das Wirtschaftsministerium die Betriebe. Künftig hat Bartenstein alles in seiner Hand. Dadurch könnten die Arbeitnehmer zu kurz kommen. Zum Beispiel ist zu befürchten, dass der Schutz von Leben, Sicherheit und Gesundheit der unselbständig Beschäftigten von wirtschaftlichen Interessen gewerblicher und industrieller Unternehmen abhängig gemacht werden. Generell könnte im Ministerium „für Wirtschaft und Arbeit“ die betriebswirtschaftliche Kostenfrage den entscheidenden Ausschlag in diesem Interessengegensatz geben. Dazu gehört, dass die Arbeitsinspektion zu einer „Service- und Dienstleistungseinrichtung“ mit reiner Beratungsfunktion werden soll.

Außerdem plant die neue Regierung die Dezentralisierung, d.h. die Verlagerung von Lohnverhandlungen, Ausgestaltung von Arbeitszeit und anderer zentraler arbeitsrechtlicher Regelungsbereiche auf die Betriebsebene. Das System der Branchenkollektivverträge zum Schutz von Mindestansprüchen ist damit ernsthaft gefährdet.

Der neue Superminister Bartenstein dem nun direkt und indirekt über 10.000 Beamte und die wichtigsten Subventionstöpfe des Landes unterstehen wird jedenfalls künftig beide Interessenvertretungen beaufsichtigen, die der Arbeitgeber (Wirtschaftskammer) und die der Arbeitnehmer (Arbeiterkammer). Bartenstein kann zum Beispiel festlegen, welche Rechtschutzberatungen die Arbeiterkammer ihren Pflichtmitgliedern gratis anbieten darf und welche nicht.

Alle diese Neuregelungen haben laut „Plattform Arbeit“ eine klare politische Stoßrichtung: Verschlechterung bisheriger Regelungen zuungunsten von ArbeitnehmerInnen oder Arbeitslosen und Maßnahmen zugunsten der Gewinnerhöhung, Schwächung des Gewerkschaftseinflusses und Schwächung des arbeitsrechtlichen Schutzes.

Die „Plattform Arbeit“ hat daher an die SPÖ und die Grünen appelliert, eine konsequente Oppositionspolitik auch in den genannten Bereichen zu forcieren, indem die Widersprüche und politischen Fallstricke für die Öffentlichkeit klar und deutlich herausgearbeitet werden. Weiters hat sie vom ÖGB und den GewerkschaftsvertreterInnen im Parlament „die nachdrückliche Unterstützung aller Aktionen gegen die Zerschlagung des bisherigen Sozialministeriums und die geplanten Maßnahmen im Bereich Arbeit“ gefordert.

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