Wie der Giebelkreuz-Hase läufttun & lassen

Über die gebündelte Politmacht von Raiffeisen im ÖVP-Klub, Folge 35

Das Erfolgsrezept von Raiffeisen – längst das mit Abstand größte und mächtigste Wirtschaftskonglomerat des Landes – geht auf Dr. Engelbert Dollfuß zurück. Bevor dieser zum Arbeitermörder (Februar 1934) und zum Opfer von Nazi-Putschisten (Juli 1934) wurde, war er unter anderem Sekretär der NÖ Landwirtschaftskammer. Seine «konstruktivste» Zeit, denn hier entwickelte Dollfuß das Raiffeisen-Modell, das die Verzahnung von wirtschaftlichem, ständischem/sozialpartnerschaftlichem und politischem Einfluss vorsieht. Zu einem aufgelegten Schnapser wurde die Dreifaltigkeit von Giebelkreuz, Landwirtschaftskammern und Bauernbund erst in der 2. Republik.Wie das praktisch über die Bühne geht, muss man sich im Detail ansehen. Denn das Modell funktioniert nicht bloß durch das Einvernehmen von Großkopferten wie Generalanwalt Christian Konrad, Gerhard Wlodkowski, Chef der Landwirtschaftskammern, und Jakob Auer, Chef des Bauernbunds. Bei der Verzahnung von zahllosen Hamsterradeln kommt es darauf an, dass auf allen Ebenen alles wie geschmiert läuft.

Dazu trägt das spezifische Lobbying bei, das es Raiffeisen erlaubt, im politischen Sektor mit dem Bauernbund der ÖVP einen direkten Ansprechpartner vor den Karren spannen zu können. Der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung beträgt derzeit rund 2 Prozent mit sinkender Tendenz. Im Parlamentsklub der Volkspartei sind die Agrarier vergleichsweise überproportional vertreten. Von den 51 Nationalratsmandaten der ÖVP nehmen 12 Mandate Bauernbündler und eine Bauernbündlerin ein; von den 27 Mitgliedern der ÖVP im Bundesrat besetzt sieben der Bauernbund; und von den sechs Sitzen der ÖVP im Europäischen Parlament wird einer von einer Bauernbündlerin eingenommen.

Geht man davon aus, dass Österreich in der EU mangels Masse wenig zu melden hat und der mit Abschaffungsforderungen konfrontierte Bundesrat ein besseres Salzamt ist, dann hat die Präsenz des Bauernbundes im Nationalrat für Raiffeisen das größte Gewicht. Konkret werden die Bauernbundsitze – Ladies first – von Anna Höllerer sowie Jakob Auer, Karl Donabauer, Franz Eßl, Franz Glaser, Franz Grillitsch, Johann Höfinger, Erwin Hornek, Peter Mayer, Nikolaus Prinz, Johannes Schmuckenschlager und Hermann Schultes eingenommen.

Diese Liste enthält nicht die ganze Wahrheit über die gebündelte Politmacht von Raiffeisen im ÖVP-Klub. Zum Fähnlein der aufrechten Vertretung der Interessen von Großagrarier_innen gehört als Generalsekretär des Raiffeisenverbandes auch Ferdinand Maier. Der sitzt allerdings auf einem Mandat des Wirtschaftsbundes im Nationalrat. Das ist recht und billig, weil die Performance von Raiffeisen trotz einiger umstrittener Bereiche doch der gesamten österreichischen Wirtschaft frommt. Von ihr wissen wir, dass es nicht zwangsläufig allen gut geht, wenn sie aufblüht, genauso wie die kleinen und mittleren Milchbäuer_innen sich von der Monopolstellung der Raiffeisen Molkereigenossenschaften nichts abschneiden können, so lang sie einen unzureichenden «Milchschilling» erhalten.

Dabei ist die im Nationalrat vertretene Verhandlungsmacht der Agrarier_innen nicht von schlechten Eltern: Jakob Auer (Jg. 1948) ist seit 1983 Nationalrat sowie in Personalunion Chef des Bauernbundes und Aufsichtsratsvorsitzender der RLB OÖ. Nachdem die Präsidenten der Sozialpartnerverbände aus Gründen der Unvereinbarkeit nicht mehr im Parlament sitzen, nehmen ihre Stellvertreter diese Funktion wahr. Die Österreichische Landwirtschaftskammern entsenden mit Franz Eßl (Jg. 1957, seit 2002 NR) und Hermann Schultes (Jg. 1953, seit 2009 NR) gleich zwei von drei Vizepräsidenten in den Nationalrat. Eßl gab u. a. bis 2009 den Obmann-Stellvertreter der Salzburger Agrar-Marketing GmbH. Schultes ist als Vorstandsmitglied der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien und der Raiffeisen-Revision NÖ auf den Bettel nicht angewiesen, den in seinen Augen ein Abgeordnetenbezug vermutlich darstellt.

Aus einer zentralen Position im Reich des grünen Riesen kommt auch Karl Donabauer (Jg. 1945, seit 1994 im Nationalrat). Er fungierte von 1985 bis 1995 als Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, als sie noch nicht als AG, sondern Genossenschaft firmierte. Der langjährige Bürgermeister der Gemeinde Dunkelsteiner Wald war vorübergehend auch Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Schrittweise hochgedient dürfte sich der Güssinger Franz Glaser haben. Seine Kariere verlief über folgende Stationen: Bezirksparteisekretär der ÖVP in Güssing (1977–1990), Landtagsabgeordneter (1991–2002) und seit 2002 Nationalrat.

Der abgehalfterte Bauernbundpräsident Franz Grillitsch hat, bevor er wie seine Kollegen aktiver Landwirt wurde, die Berufslaufbahn als Revisionsassistent beim Raiffeisen-Verband gestartet. Vom Kammerrat stieg er zum Vizepräsidenten der Landwirtschaftskammer Steiermark auf, um 2002 in den Nationalrat einzuziehen. Bevor er Chef des Bauernbundes wurde, standen ihm viele Posten offen – wie der Vorsitz im ÖVP-Agrarklub und der stellvertretende Vorsitz im ÖVP-Parlamentsclub.

Die Kombination Bauernbund, Landwirtschaftskammer und Raiffeisen scheint ein nahezu unfehlbares Erfolgsrezept zu sein. Sie kennzeichnet das Gros der Lebensläufe der restlichen ÖVP-Mandatar_innen im Nationalrat aus dem Bauernbund. Über eine Giebelkreuz-Tangente verfügen Johann Höfinger (Jg. 1969, seit 2006 im NR) als Vorstandsmitglied der Raiffeisen Bank Langenlebarn-Tulln, Bundesbäuerin Anna Höllerer (seit 2002 im NR) als Angestellte der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien oder Erwin Hornek (Jg. 1959, seit 1999 im NR) als Aufsichtsrat der Raiffeisen-Bank Waidhofen an der Thaya.

Genug der Beispiele: Sie zeigen zur Genüge, wie der Hase im Reich von Raffeisen, Landwirtschaftskammern und Bauernbund der ÖVP läuft.