Zur Welt bringentun & lassen

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Krise ist, wenn das Alte stirbt und das Neue noch nicht geboren ist. Vielleicht ist jetzt die Zeit, um mit etwas Neuem zu beginnen. Denn die Lage ist nicht ungefährlich. Die soziale Krise beginnt erst, die Verteilungskämpfe zeichnen sich ab, die Sozialschmarotzerdebatte wird in Stellung gebracht. Der Druck wird in Krisen meist nach unten weitergegeben, die Krisenkosten nach unten geschoben. Was meist am besten mit Strategien des Auseinanderspielens und mit autoritären Lösungen funktioniert. Die Gruppe, die es bereits ordentlich erwischt hat, sind die Flüchtlinge. Sie sind bereits zu Unpersonen gemacht. Und der Rechte, derer wir uns als Wertegemeinschaft rühmen, beraubt.Geburt ist der Anfang des Anfangens., so die Philosophin Hannah Arendt. Ist die Geburt auch nicht der Anfang unseres Lebens, so wird dieser Anfang im Geborensein doch offenbar. Nackt geboren in eine Welt können wir sprechend und handelnd Initiativen setzen, Anfänger und Anfängerinnen werden und gleich einer zweiten Geburt unser Geborensein bestätigen.

Als Hannah Arendt auf der Flucht vor den Nationalsozialisten war, kommt ihre diese zweite Geburt in den Sinn. Als Vertriebene, ohne Reisepass, als displaced person, die sie im Niemandsland zwischen dort und da geworden war, erkennt sie, dass ihre nackte Geburt ihr keine Rechte sichert. Sie war vogelfrei, der Herrschaft des Niemand, wie sie die Behörden bezeichnete, ausgeliefert. Erst die zweite Geburt, der sprechende und handelnde Eintritt in die Welt, stattet uns mit Rechten aus. Das ist eine Erfahrung die Vertriebene und Rechtlose auch heute machen.

Erst mit dieser zweiten Geburt kommen die Menschenrechte auf die Welt. Durch Verträge, durch Verhandlung, durch Erkämpfen, durch Erringen. Aufgrund unserer Gebürtigkeit sind wir Einzigartige unter vielen Einzigartigen auf der Welt. Jeder ist eine Welt. Im jüdischen Talmud heißt es: Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.

Auf die Menschenrechte ist aber auch kein Verlass, solange sie nur am Reisepass kleben, diese Erfahrung machte Hannah Arendt damals und machen Flüchtlinge heute. Erst mit dem US-amerikanischen Pass hatte sie Sicherheit, als displaced person hatte sie nichts als ihre nackte Existenz.

Was man nicht vergessen darf: Sollen in dieser zweiten Geburt soziale und politische Rechte zur Welt kommen, brauchen sie auch die, die sie zur Welt bringen.

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