BSE auch im Fasching ein Themavorstadt

Ich möchte ein Rindvieh sein

Trends und Entwicklung der närrischen Zeit. Ein Lokalaugenschein beim Faschingsprofi Witte.Die Kuhmaske ist gut, aber aus.“ Mehrmals täglich geht Martina dieser Satz über die Lippen. Die Verkäuferin zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Tut leid, aber wie wärs mit einem Hendl? Da hätten wir zum Beispiel das Moorhuhn.“ Was beim Fleischer wie Blei in den Regalen liegt dürfte sich im heurigen Fasching zum absoluten Renner entwickeln: Das Rindvieh. „Ganze Herden werden heuer durch die Säle trotten“, ist Frau Martina überzeugt. X-mal wanderte die Kuhmaske bereits über die Budel, aber jetzt zwei Wochen vorm Höhepunkt des bunten Treibens geht nix mehr. Ausverkauft! Ansonsten ist so ziemlich alles was das Herz begehrt auf Lager. Mehr als 2000 Kostüme und Masken bietet der Faschings-Ausstatter Witte auf der Linken Wienzeile dem vergnügungssüchtigen Volk zur Auswahl an.

Die Firma Witte gibt es bereits seit 1863. Mit den Jahren entwickelte sich der anfängliche Kramerladen zum führenden Fachgeschäft für Fasching, Scherzartikel, Feuerwerk, Kostüme und Dekorationen aller Art. Geschäftsführerin Ilse Blank, seit über 40 Jahren im Unternehmen, ist faschingsmäßig mit allen Wassern gewaschen. Als Verantwortliche legt sie großen Wert darauf, daß für jede Brieftasche die passende Verkleidung vorhanden ist. Die Preise der angebotenen Kostüme sind so vielfältig wie die Auswahl selbst. Mit ein paar Hunderter ist man schon dabei. So zum Beispiel ist eine Harry Potter Verkleidung, bei den Jungsters gerade hoch im Kurs, um nur 209,- Schilling (Umhang 120,-, Hut 69,-, Brille 20,-) zu erstehen. Für einen Pokémon löhnt man 398,-. Nach oben gibt es natürlich keine Grenzen. Sozusagen als Drüberstreuer bietet der Laden eine gut sortierte Auswahl an Scherzartikel: Blutiger Finger, scharfe Chili Kaugummis oder die verflixte unzerreißbare Zuckertüte. Sehr beliebt auch die derbe Abteilung wie Kothaufen oder Schaskissen. Durchschnittlich macht der Wiener 500,- Schilling für seinen Faschingsspaß locker. „Der Fasching darf jedoch kein rein elitäres Vergnügen werden“, weist Frau Blank auf seine Bedeutung hin. Ganz im Sinne des alten Wiener Volksfaschings: An einem Tag ist der Bettler König.

Ilse Blank hat die Entwicklung des Faschings in allen Facetten hautnah miterlebt: „Früher war er lustiger“, zieht sie rückblickend Resüme. „Heute läuft alles so ernsthaft ab. Es fehlt der Schmäh und die Lockerheit von damals, das fängt schon beim Einkauf der Kostüme an. Die Leut sind zu verbissen.“

In den Sechzigern fand neben den großen Maskenbällen der Grundfasching im Beisl statt. Der Wirt besorgte Dekoration, Hüte, Masken für seine Gäste und die Gaudi war perfekt. „So einfach war das.“ Durch das kontinuierliche Wirtshaussterben verlagerte sich der Fasching mit den Jahren in den privaten Bereich. Der Maskenball mutierte zum Gschnas. Die Tendenz zum kompletten Kostüm entwickelte sich in den Siebzigern. Clowns, Rothäute und „Hair“-Perücken waren Top. Das nächste Jahrzehnt gehörte den Muppets und Feuersteins bis er kam: Batman! Und heute? „Heute ist alles ein Event“, erzählt Frau Blank, wobei ihr der Unmut über die Wortkreation „Event“ ins Gesicht geschrieben steht. Themenschwerpunkte beherrschen die lustigste Zeit im Jahr. Politik und Medien, allen voran das Fernsehen geben vor was trendy ist. „Es wird immer schwieriger die Trends vorauszusehen“, spielt Frau Blank auf das Tempo der modernen Zeit an. Doch als langjährige Expertin hat sie gelernt damit umzugehen. „Und wenn er auch nicht mehr 100 Prozent lustig ist“, versichert die Fachfrau, „die Faszination Fasching ist nach wie vor vorhanden.“

Neben den BSE Kühen werden heuer Moorhühner, Simpsons, Pokémons und Harry Potters die Fasching-Events bevölkern. Eben die Knüller der diesjährigen Saison. Trotzdem sind Klassiker wie Prinzessinen, Clowns, Indianer oder Musketiere noch lange nicht vollständig ausgerottet und halten sich nach wie vor hartnäckig im Rennen.

Auch wenn der Rinderwahn die Faschingsausstatter völlig überraschend traf, gibt es dank der Kreativität heimischer Bauern dennoch eine reizvolle Alternative: Schwein gehabt!?

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