«Das Ruder nicht aus der Hand geben»vorstadt

Tochter des Wiener Wurstelpraters und einer Geisterbahn-Mutter

Die Autodrom-Chefin Katja Kolnhofer entstammt einer der ältesten Familien des Wiener Wurstelpraters. Nun möchte sie hinter ihrem «Super-Autodrom» noch ein Fahrgeschäft, eine Attraktion hinstellen.

Foto: Christof Moderbacher

Am Rande des Autodroms stehen zwei ältere Damen und schauen sehnsüchtig in die Runde, während eine Frau mit Kind im Autochen mit Gummiumrandung sichtlich Spaß am Zusammenstoß mit anderen elektrischen Wägen hat. Katja Kolnhofer, die Chefin des «Super-Autodroms» mitten im Wiener Wurstelprater, besitzt ihre eigene, in sämtlichen Regalen bis obenhin vollgestopfte Werkstatt. «Oft bricht eine Lötstelle am Wagen, das ist schnell gemacht, manchmal muss man Kabel nachziehen oder frisch anlegen», fuchtelt Kolnhofer mit dem Lötkolben in der Luft herum. «Die 28 Autos sind bereits dreißig Jahre alt, es ist täglich etwas hin. Aber sie sind an sich schon sehr robust, ähnlich wie mein alter Einser-Golf!», lacht sie.

Katja Kolnhofer stammt aus einer der alten Familien im Prater, vor 56 Jahren baute ihr Urgroßvater mit seinem Bruder die Vergnügungsbetriebe auf. 1921 von Ungarn nach Österreich ausgewandert, mietete Uropa Philipp Kolnhofer das allererste Café-Restaurant in der Prater Hauptallee an. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich sein Sohn, Philipp Kolnhofer II., als Obmann des Praterverbandes und half bei der Entnazifizierung und Neuparzellierung tatkräftig mit.

Philipp Kolnhofer II. ist Vater von zwei Töchtern, die nicht nur trotz Hochzeit den Familiennamen weiter trugen, sondern auch das Geschäft. Genau gleich wie seine beiden Enkelinnen. «Obwohl die Arbeit schwer ist», sagt Katja, «denn unsere Arbeit ist die Kultur des Vergnügens. Beim Autodrom sitzt der Kunde nicht fixiert in seinem Sessel, man muss immer auf der Acht sein, was dem Fahrgast gerade einfällt.» Früher besaß die Familie noch das «Palast-Autodrom» in der Halle, in der jetzt das «Extasy» steht.

Katja Kolnhofer selbst führte «ein typisches Mädchenleben» trotz Interesse an Technik und Computern. Statt der HTL wurde es dann aber doch die «Knödelakademie», und mit 19 Jahren verließ sie den Prater, in dem die Familie hinter dem Spielcasino lebte, mit dem ersten Kind und Ehemann. «Für den Schausteller-Beruf gibt es bis heute keine Ausbildung. Man lernt sich vielmehr durch das Leben mit dem Maschinen in den Beruf ein. In den großen Betrieben haben die Gehilfen inzwischen eine Betriebstechniker-Ausbildung. Wichtig, um hier bestehen zu können, ist die Gemeinschaft der Praterunternehmer. Der Prater ist wie ein kleines Dorf, die meisten bleiben auf ewig hier. Es gibt Seilschaften und Fehden, aber zum Glück ist alles parteifrei, und die Probleme ähneln jenen in einer Familie. Eifersüchteleien, Neid, und gekränkte Eitelkeiten kommen einmal bei diesem oder jenem Unternehmer durch. Aber im Großen und Ganzen passt es für uns alle», analysiert Katja das Praterleben.

Den Prater zu verlassen und ein paar Jahre Bezirksrätin für die SPÖ zu werden, war ein Befreiungsschlag, sagt sie heute. «Ich gründe eine Familie, dann beginnt das Leben», dachte Katja damals, deren Eltern fast nie zu Hause gewesen waren, denn das Zuhause im Prater ist immer auch gleichzeitig Arbeitsplatz und Büro. 2009 kehrte sie, geschieden mit drei Kindern, in den Prater zurück, was «ein Chaos, aber auch wieder eine Befreiung» war, und übernahm ihr Autodrom.

Harte Prater-Arbeit und kein Porsche

Die Mutter, der u. a. eine Geisterbahn gehört, war «der Rettungsschirm», als sie in den Prater zurückkehrte. «Ich hatte keine Angst, denn sie war da. Die Mama schafft das, es gibt nichts, was ich ihr nicht zutraue. Meine Kinder können sich auf mich verlassen, aber ich bin kein Polster, an das man sich lehnen und durchs Leben rutschen kann.» Um zehn Uhr ist Katja Kolnhofer jeden Morgen im «Super-Autodrom», sperrt auf, tut Stofftiere für die Schießbuden ein- und ausbuchen, von 16 bis 20 Uhr ist sie zu Hause bei ihren vier Kindern, von halb neun bis ein Uhr in der Nacht wieder im Prater – sieben Tage die Woche. «Meine Mutter gab uns keine Linie vor und hat uns gehen lassen, sie erzieht nicht. Sie legte immer Wert darauf, nicht nein zu sagen. Daraus resultiert eine gewisse Sturheit und Eigenständigkeit bei mir. Als Frau wird man dominant und autark im Prater. Ich lasse mir das Ruder nicht aus der Hand nehmen, wie andere Frauen, wo der frischgebackene Prater-Ehemann sagt: «Du Hasi, ich löse deine Probleme», denn dieser Weg drängt Frauen automatisch in die Frau-am-Herd-Rolle ab.»

In Kürze geht Mutter Kolnhofer aber in Pension, und Katja wird drei weitere Vergnügungsbetriebe übernehmen. «Im Sommer verdient man gut, aber das muss auch für den Winter genügen», sagt sie, «wer sich im Sommer einen Porsche kauft, bei dem reicht das Geld nur bis November.» Fast alle Prater-Familien sind «schon immer da», denn die Parzellen sind sehr teuer, und manche der tollen, neuen Sachen entpuppen sich als Ladenhütter. «Im Winter habe ich zu und bin fast nur Mama, dann mache ich Budgetplanung, Reparaturen, Investitionen und den Praterverband – im Winter kümmert man sich ums große Ganze!», lächelt die Tochter des Wiener Wurstelpraters.