„Exoten-Status“vorstadt

Claudia Kogler sitzt im alten Baumgartner Kino

Software statt Cinemascope: Im ehemaligen Baumgartner Kino in der Hütteldorfer Straße Nr. 253 läuft heute der Film „Moderne Arbeitswelt“. Nur der ursprüngliche, von den Holz-Sitzreihen befreite Kinosaal erinnert noch an das vorvirtuelle Zeitalter. Die Hauptdarsteller hingegen sind durch die Bank Protagonisten einer schnelllebigen Welt, in der es schon lange nicht mehr Pragmatisierung und Pensionsvorsorge spielt.Kein Darsteller ist älter als 35. Fast alle sitzen an Easy-Zusammenbau-Schreibtischen aus einem schwedischen Möbelhaus und blicken gespannt, nicht gelangweilt auf ihre Flachbild-Schirme. Im leinwandlosen Kino, in dem vor vielen Jahren der allerletzte Film abgespult wurde, könnte jetzt Humphrey Bogart die Szene betreten. Oder Katharine Hepburn. Die Saurier der alten Welt würden in diesem Setting wohl kaum Aufsehen erregen.

Mehr, man muss das wirklich so machomäßig sagen, fällt eine groß gewachsene Frau auf, deren Schreibtisch ungefähr dort steht, wo es früher einmal „erste Reihe, fußfrei“ geheißen hat. Claudia Kogler ist hier die einzige Programmiererin weit und breit. Die 29-jährige Oberösterreicherin klopft noch dazu als Chefprogrammiererin auf die Tasten.

Dass sie die einzige Frau unter lauter Männern ist, scheint in ihrer Firma, der Avaloop IT Solutions GmbH, kein Thema zu sein. Wenigstens sagen das ihre Kollegen unisono, wenn sie konkret darauf angesprochen werden. Anders sei das bei externen Meetings, erzählt Kogler: „Da habe ich schon noch ein bisserl den Exoten-Status.“ Immerhin würde man der IT-Amazone nur mit Überraschung, nie mit offen zur Schau gestellter Skepsis begegnen.

Ob Frau, ob Mann sei immerhin dem Computer so was von egal. Auch will die Absolventin der Fachhochschule für Medientechnik und Design an sich selbst keinen typisch weiblichen Zugang zur Computertechnik erkannt haben.

Nach Abschluss ihrer Ausbildung hat Kogler an der Software-Entwicklung für themenspezifische Suchmaschinen sowie für Kinder-Internet-Foren mitgearbeitet. Erst vor gut einem Jahr kam sie dann zur damals gerade neu gegründeten Firma Avaloop. Hier durfte sie von Beginn an bei der Entwicklung des Computerspiels Papermint erste Reihe, fußfrei dabei sein.

Bonmots über licht-, wasser- und kontaktscheue Typen, die sich lieber hinter ihrem PC verschanzen als ein anderes Lebewesen zu grüßen, hat Kogler nicht auf Lager. Im Gegenteil: „Wir sind ein Super-Team. Jeder kann von jedem etwas lernen.“ Die Burschen rundum lächeln still. Gutmütig, durch die Bank.

Kaffee kocht inzwischen in der Gemeinschaftsküche. Das Spannende an ihrem Beruf beschreibt die Software-Expertin so: „Dass man eine zunächst nur abstrakte Idee tatsächlich umsetzen und für andere Menschen zugänglich machen kann.“

Abstrakt war im Vorjahr auch die Idee, ein neues Computerspiel für Erwachsene zu entwickeln. Diese können bei Papermint die Rolle eines virtuellen Lebewesens einnehmen – und so mit dem Computer und auch mit anderen Spielern ein zweites, ein paralleles Leben führen. Klingt utopisch, gefährlich, verwerflich? Willkommen im Club der Skeptiker. Der sich die Frage gefallen lassen muss: Ist stundenlanges Fernsehen unbedenklicher?

Natürlich gäbe es auch in ihrem Job Momente der Frustration. Claudia Kogler holt etwas weiter aus: „Die Entwicklung von Software ist ein Prozess, der leider nie abgeschlossen werden kann. Immer wieder ergeben sich neue Fragen, die einer Klärung bedürfen.“ Ebenso Nerven aufreibend: „Wenn aus heiterem Himmel ein Problem auftaucht und wir ewig lang an dessen Behebung arbeiten.“

Bis zu 14 Stunden sitzt sie derzeit im Baumgartner Kino vor dem Bildschirm, ohne dass ihr dabei fad werden würde. Zwar liege man bei der Entwicklung von Papermint noch immer voll im Zeitplan, dennoch rückt die offizielle Präsentation mit großen Schritten näher. Die Bildschirmarbeit scheint die Chef-Technikerin auch nicht mürbe zu machen: „Ich komme jeden Tag gerne zur Arbeit, bin immer gespannt, was es Neues gibt.“

Dennoch tut sich für sie auch noch ein Fenster in eine Welt abseits der virtuellen auf. Wann immer sie Zeit hat, tritt die Oberösterreicherin in die Pedale ihres betagten Rennrads. Mit dem Bike hat sie für sich schon mehrere Wiener Bezirke erschlossen. Dabei konnte sie unter anderem feststellen: In Luftenberg bei Linz, ihrer Heimatgemeinde, ist man viel schneller durch. Und man ist von dort auch schneller bei den Seen des Salzkammerguts und auf den Bergen oben.

Die Wahl-Wienerin gibt sich keiner Illusionen hin: „Was die Natur anlangt, kann Wien leider nicht mithalten. Der Neusiedler See ist da schon ein bisserl ein Witz.“ Was ihr Verhältnis zu Wien nicht nachhaltig trübt: „Ich lebe extrem gerne hier.“

Um soziale Kontakte zu pflegen, auch um abzuschalten und den Computer für ein paar Stunden zu vergessen, bereichert die Technikerin ein Mal im Monat die illustere DJ-Runde, die das „Kiosk“ in der Margaretenstraße mit Mitgebrachtem beschallt. Eines spart Kogler in ihrer Freizeit hingegen ganz aus: stundenlanges Spielen mit dem Computer. Da geht sie noch lieber ins Kino. Es kann, aber es muss nicht unbedingt Bogart und Hepburn sein.

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