Highlander auf der Hohen Wartevorstadt

Ein Violetter im blau-gelben Höhenflug

Mit der Austria hat Thomas Flögel alles gewonnen. Zur Spielerpersönlichkeit hat ihn erst die schottische Härte gemacht. Nun versucht er, die Vienna zu alter Größe zurückzuführen.

Eigentlich könnte er allein aufgrund seiner Biographie gemütlich im Magna-Dunstkreis abhängen. Jetzt, wo er nicht mehr spielt und frei ist für höhere Weihen. Aber dort, wo es hoch her geht, liegt der Hund begraben. Ein Hund namens System, dem zu entrinnen alles andere als leicht ist, wenn man was werden will im österreichischen Fußball.

Deshalb hat der 35-Jährige Thomas Flögel nach seinem Karriereende im Herbst 2006 die Option auf einen Schleudersitz im Zentrum gegen die weitaus weniger abgehobene, aber dafür wirklichere Lebenswelt des Regionalligafußballs getauscht. Nun sitzt er als Sportdirektor im Büro des First Vienna FC, erzählt von seinen drei Jahrzehnten als Fußballer und kommt dabei mehr als einmal auf das System zu sprechen. Seine Diagnose nimmt sich angesichts der zu erwartenden Selbsthysterisierung im Vorfeld der Euro 2008 als schallende Ohrfeige aus: In Österreich herrscht Stillstand, und zwar seit Jahrzehnten. Es ist kein Zufall, dass wir in der Weltrangliste immer mehr abrutschen. Hier sind immer noch Leute am Werk, die mir schon als ich dreizehn war auf die Schulter geklopft und gesagt haben: Der Papa war schon ein guter.

Der Herr Papa: Rudi Flögel, Rapid- und Ex-Nationalteamspieler seit den Fünfzigerjahren. Von ihm hab ich am meisten gelernt, glaubt Sohn Thomas, das hat man ja an der Ähnlichkeit unserer Bewegungen gesehen. Sein Vater ist es auch, der ihn zur Austria bringt, wo Flögel die ersten zwanzig Jahre seines Fußballerlebens verbringt. Unzählige Meistertitel im Nachwuchs und der frühe Sprung in die Kampfmannschaft machen ihn zum neuen Hoffnungsträger einer großen violetten Zukunft. Viele sehen in ihm den bereits den Nachfolger von Herbert Prohaska, mit dem er Ende der Achtzigerjahre noch gemeinsam auf dem Feld steht. Anfangs schaut es gut aus: Auch als Profi sammelt Flögel Meistertitel. Doch mit dem Traum, ins Ausland zu gehen und sich dort entscheidend weiterzuentwickeln wird es vorerst nichts. Und so tritt er trotz anhaltender Erfolge auf der Stelle bis ihn der Zufall 1997 in die schottischen Highlands verschlägt. Vertreter des Traditionsklubs Dundee United, die eigentlich seinen Kollegen Astafjew beobachten, sind nach einem Spiel gegen Tirol von Flögel so begeistert, dass sie ihn gleich auf die Insel einladen. Er folgt ihrem Ruf, landet aber schlussendlich bei einem anderen Verein: dem Heart of Midlothian FC aus Edinburgh, kurz Hearts genannt. Trotz großer Anpassungsprobleme zu Beginn erkämpft er sich durch harte Arbeit an der Physis einen Stammplatz und wird gleich im ersten Jahr schottischer Cupsieger. Flögel erlebt die schönsten fünf Jahre meiner Karriere. Besonders beeindruckt ihn, dass die sprichwörtliche britische Härte, die ihm gleich in den ersten Spielen drei Löcher im Kopf beschert, sich rein aufs Sportliche beschränkt und nicht wie bei uns immer ins Private und Persönliche gezogen wird.

Von der Insel zu den Unseligen

Die schöne Zeit endet jäh, als die BBC die TV-Zahlungen für die schottische Liga 2002 einstellt. Die teuren Spieler müssen gehen. Für einen Neuanfang in einer anderen Liga fühlt er sich zu alt. Er geht zurück zur mittlerweile stronachisierten Austria und findet sich anfangs gut zurecht. Der Kader ist stark und mit Walter Schachner hat man einen kompetenten und ehrgeizigen Trainer geholt. Leider vernichtet das Management die Chance auf eine langfristige Entwicklung mit der Verpflichtung des deutschen Exzentrikers Christoph Daum. Der hat vor allem im mentalen Bereich gearbeitet. Aber was soll das helfen, wenn zehn Leute dich gar nicht verstehen? Wirklich trainiert haben wir kaum zwei Stunden am Tag, und geschwitzt haben wird dabei nie. Von manchem Superstar-Kollegen weiß Flögel Eigenartiges zu berichten. Der Brasilianer Djalminha zum Beispiel ein Riesenkicker, aber hirntechnisch ein Headbanger. Bei McDonalds hat er einen Cheeseburger ohne Cheese bestellt.

Obwohl am Ende der Saison der Meistertitel steht, erlebt Flögel die Austria neu in der Folge als beispiellosen Niedergang. Was dann kam, war eine einzige Streiterei. Mir als Violetten hat das weh getan, weil ich nicht mehr das Gefühl hatte, willkommen zu sein.

Von ambitionierten Stinkern

Nach Kurzgastspielen in Pasching um die Austria zu vergessen und bei der Admira verschlägt es ihn im Sommer 2006 zur Vienna auf die Hohe Warte. Anfangs schlüpft er noch ins blau-gelbe Leiberl bis er sich so stark an der Schulter verletzt, dass er die Schuhe endgültig an den Nagel hängt. Der Verein denkt nicht daran, ihn fallen zu lassen, und bietet ihm den Posten des Sportdirektors an. In dieser Funktion kümmert er sich um den Spielbetrieb der Ersten, der Reserve und des gesamten Nachwuchses und sieht seine Aufgabe darin, das Team mit modernen Methoden à la Klinsmann auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Und das lautet heuer definitiv Aufstieg in die zweite Liga, die mich als solche nicht interessiert. Wir wollen so schnell wie möglich in die Bundesliga.

In der Regionalliga Ost ortet er einerseits einen wachsenden Größenwahn, was die Spielergehälter betrifft: Keiner ist so viel wert, wie hier von einzelnen Vereinen bezahlt wird. Würde ich über so viel Geld verfügen, dann würde ich es lieber dem Augustin spenden. Andererseits gäbe es hier noch die letzten wirklichen Persönlichkeiten zu entdecken. Vor allem jenen Spielern, die im Ruf stehen, schwierig zu sein, allen voran Andi Fading und Marcus Pürk, attestiert er jene Qualitäten, die er auf höchster Ebene schmerzlich vermisst: Vor solchen Typen haben die Gegner Respekt. Hingegen ein Ivanschitz oder ein Stranzl: Die riechen nicht und stinken nicht. Mit seinen Stinkern hat er jedenfalls was vor. Und fürchtet sich dabei keinen Deut vor der Konkurrenz, auch nicht vor dem ASK Schwadorf, dem aufstrebenden Retortenklub, dem der Unternehmer Trenkwalder einen mit Ex-Bundesligaprofis wie Michael Wagner, Roman Mählich oder Thomas Mandl gespickten Kader sponsert. Die müssen zu uns auf die Hohe Warte kommen, und da werden unsere Burschen mit Schaum vor dem Mund spielen. Gut möglich, dass dieser sich im Juni mit dem Sekt der Meisterfeier mischen wird. Es wäre die erste auf der Hohen Warte seit über fünfzig Jahren.

Helmut Neundlinger

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