Wiener Wäsche, Folge 24vorstadt

Sascha

«Kleidung ist wie eine zweite Haut», sagt Sascha. «Sie bedeutet Gestaltung, ein Spiel mit Farben und Formen.» Jeder nehme Outfit unterschiedlich wahr. Was für sie etwa eine Latzhose ist, empfindet ihre Schülerin als zu groß geratene Leggins.

Aus Russland stammend und von Beruf Bildhauerin ist Sascha somit gleich in zweifacher Hinsicht besonders kompetent, wenn sie als Lehrerin für Bildnerische Erziehung und Werken in einem Gymnasium im zehnten Wiener Gemeindebezirk Schüler_innen unterschiedlicher Herkunftsgeschichten unterrichtet. Mit ihren Klassen hat Sascha auch schon über Kleidung gesprochen. Ihr war aufgefallen, dass ihre Schüler_innen ausnahmslos in Schwarz, Grau, Weiß und Jeansblau angezogen sind. Sämtliche andere Farben im Spektrum fehlen. Die Jugendlichen staunten selber über diese Erkenntnis und diskutierten angeregt. Sascha ist als Lehrerin mit Hang zum Mustermix und Tragen von Kleidung aus allen Zeiten und Ländern sicher ein gutes Vorbild gegen den herrschenden Einheitsbrei auf Wiens Straßen. «Ich bringe die Leute gerne zum Träumen. Und wenn ich jemanden mag, möchte ich ihm eine Freude machen, indem ich mich besonders kleide. Im Allgemeinen ziehe ich mich aber dem Wetter entsprechend und praktisch an. Ich erlaube mir dafür viel mit Farben und schräge Kombis.» So manch einer meinte schon mal, Sascha sehe aus wie einem Renaissance-Bild entsprungen. Das blau geblümte Seidenkleid ist ein Geschenk einer Freundin und stammt aus den 40er-Jahren. Den Baumwoll-Pullover erstand sie um fünf Euro im Ausverkauf einer Kleiderkette. Kunstmaterialien trägt sie nur ausnahmsweise. Das prachtvolle, bunt bestickte Gilet ist ganz besonders: Die ursprünglich transsilvanische Tracht stammt von einem Tanzhaus-Markt aus Budapest. «Ich liebe Stickereien, die von Frauen in liebevoller, langer und mühevoller Handarbeit gefertigt wurden. Für mich ist dieses Stück ein Überrest aus einer andren Epoche.»

Text und Fotos: Doris Kittler