Wiens „Gastarbeitermannschaften“ (1)vorstadt

Die Partisanen vom FavAC-Platz

Was haben Sakarya Wien, Aytac SV, Fenerbahce Wien, Suryoyo, Partizan Wien und FC Cairo gemeinsam? Als ausgesprochene Ausländerteams sind sie die (vertrauten) „Exoten“ des Wiener Fußballverbands. Die „Ausländerregel“ des ÖFB in einer Zuwanderer-Stadt wie Wien ohnehin eine Absurdität erscheint für diese Clubs doppelt paradox. Alexander Rakowitz, Manager und Trainer der Jugo-Elf Partizan Wien, hält den Fußball in Wien dennoch für ein Hoffnungsfeld in Sachen Integration.Partizan Wien kickt als Untermieter auf dem FavAC-Platz in der 2. Klasse A. Um den Platz innerhalb der offiziellen Struktur des Wiener Fußballverbands zu bewahren, muss sich der „Gastarbeiterverein“ (Eigendefinition) an das Regelwerk des ÖFB halten. Zum Beispiel eben an die Ausländerregel: Pro Spiel dürfen nur fünf Nicht-Staatsbürger bzw. Nicht-EU-Ausländer zum Einsatz kommen; drei dieser fünf müssen allerdings bereits seit dem 14. Lebensjahr bei Mitgliedsvereinen des Fußballverbands eingeschrieben sein. In der ÖFB-Funktionärssprache firmieren letztere neben den „reinen Ausländern“ – als „Gleichgestellte“.

Eine mehr als entbehrliche Regel, findet auch Alexander Rakowitz. „Diese Ausländer-Paragraphen gibt es in Deutschland und der Schweiz nicht. Ich versteh die Regel nicht, wenn ich mir die Situation in Wien anschaue, einer Zuwanderer-Stadt. Einer Stadt voller türkischer und jugoslawischer Talente. Gerade hier müsste man schauen, dass die Integration auch im Sport vorangetrieben wird, aber da müsste man ganz oben ansetzen, im ÖFB. Ich denke, der Wiener Fußballverband kann da alleine nichts entscheiden.“ Freilich leiden andere Vereine mehr unter dieser ausländerfeindlichen Regel als sein eigener Club Partizan Wien: „Wir haben eine junge Mannschaft, Durchschnittsalter 20, die meisten unserer Spieler sind hier geboren, also Menschen der `zweiten Generation` , sie sind österreichische Staatsbürger oder gelten als `gleichgestellt` – also können wir mit dieser Regel irgendwie leben“.

Alexander Rakowitz‘ Draht zum jugoslawischen Fußball ist einigermaßen verwickelt. „Mein Vater ist in Znaim geboren, er war ein besserer Kicker als ich, spielte beim LASK. Meine Mutter kommt aus Innsbruck, ich bin gebürtiger Wiener. Mein Ururgroßvater war der Rettenbacher, ein berühmter Herzchirurg beim Kaiser. Irgendwie habe ich auch jugoslawische Wurzeln. Was mich mit Jugoslawien verbindet, ist die Lebensweise dort: Obwohl es den Menschen zehnmal schlechter geht als hier, nehmen sie sich mehr Zeit zum Leben. Meine Frau stammt aus Jugoslawien, und vieler meiner Freunde kommen aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien.“

Partizan Wien bewahrte die balkanische Vielfalt

1988 gründete Rakowitz den Verein, der sich damals allerdings noch nicht Partizan nannte. Der Club operierte zweigleisig: Eine Mannschaft nahm an der sogenannten Jugo-Liga teil, einer Hobbyliga von Gastarbeitermannschaften abseits des offiziellen Fußballgeschehens, während der Verein parallel dazu mit einem anderen Team in der Wiener Liga präsent war. „Die Jugo-Liga war damals noch sportlich interessanter, weil sie die serbischen, kroatischen, albanischen, bosnischen und mazedonischen Mannschaften integrierte“, meint Rakowitz. „Heute ist das ja alles getrennt, und die Jugo-Liga befindet sich meiner Meinung nach am absterbenden Ast. Damals kamen auch noch sehr viele Zuschauer zu den Matches. Wir spürten jedenfalls, dass die Jugo-Liga sportliche Qualität eingebüßt hatte, und wechselten ganz in den Wiener Fußballverband über.“

Die balkanische Vielfalt der alten Jugo-Liga bewahrt Partizan Wien zumindest im Rahmen des Clubs: „Bei uns spielen Serben genauso wie Kroaten, Bosnier oder Albaner. Sogar Österreicher und Türken zählen zu unserer bunten Mischung.“

„Partizan“ ist denn auch für die Spieler weniger ein serbisches Logo als vielmehr ein Markenzeichen der verlorenen (und utopischen?) jugoslawischen Multiethnizität. Rakowitz schildert, wie es zur Namensgebung kam: „Erstens haben sich besondere Beziehungen zum großen jugoslawischen Club Partizan Belgrad und zu seinem Präsidenten ergeben, der uns mit Dressen und in anderer Form unterstützt.. Und zweitens sind viele unserer Spieler Partizan-Belgrad-Fans. Deshalb nennen wir uns seit zwei Jahren Partizan Wien.“

„Wiener Gastarbeiterturnier“ von den Medien boykottiert

Einmal jährlich veranstaltet der Verein das „Wiener Gastarbeiterturnier“. Im vergangenen Dezember fand es zum vierten Mal statt. Die sportliche Qualität beeindruckte wie nie: Mehrere Bundesligaspieler, darunter Bradaric von Casino Salzburg, konnten zur Teilnahme bewogen werden. Vor allem die Mitwirkung des jugoslawischen Spitzenclubs FK Napredak Krusevac (UEFA-Cup-Starter!) brachte Niveau in die Halle des Sportzentrums Hietzing. Wie erwartet, gewann Krusevac das Turnier was freilich die Wiener Fußballöffentlichkeit nicht sehr tangierte. Denn von den Medien sonst nicht verlegen im Romantizieren „südländischer“ Fußballphilosophie – war das Turnier absolut „geschnitten“ worden.

„Fairplay“ eine NGO, die sich gegen Ausländerfeindlichkeit auf österreichischen Sportplätzen einsetzt – stiftete die Pokale. Ansonsten endete Rakowitz‘ Suche nach Sponsoren für dieses Fußballevent im Schatten der großem Hallenturniere enttäuschend. „Immerhin hat der Vizepräsident des Wiener Fußballverbands, Günther Trimmel, sich das Turnier angesehen. Er hat die Qualität und die Organisation gelobt, vielleicht bekommen wir also irgendwann auch eine Unterstützung vom Verband“, hofft der unverbesserliche Optimist von Partizan Wien.

Finanzielle Unterstützung bräuchte Alexander Rakowitz auch für seinen Verein selber. Jede Saison ist eine Saison des Überlebenskampfes. „Wir haben zwei Nachwuchsmannschaften und hoffen, die Nachwuchsarbeit intensivieren zu können, aber dazu bräuchten wir Unterstützung. Zum Beispiel vom Integrationsfonds, ich wüsste nicht, an wen wir uns sonst wenden könnten. Wir sind immerhin meines Wissens der einzige Ausländerverein in Österreich, der Nachwuchsarbeit betreibt. Vielleicht liest diese Zeilen jemand, der das zu würdigen weiß und Möglichkeiten hat, uns unter die Arme zu greifen!“ Dass Partizan sich bisher über Wasser halten konnte, ist der Baufirma des Präsidenten Vladica Radosavljevic zu danken. Und dem unermüdlichen Engagement Alexander Rakowitz‘, der nicht nur geschäftsführender Obmann, Trainer und Manager von Partizan Wien ist, sondern auch das metaphorische Mädchen für alles was bei einem Jugo-Verein in Wien vor allem heißt: Hilfe in Visumsangelegenheiten.

Noch liegt Partizan Wien ziemlich weit hinten in der Tabelle der 2. Klasse A. Doch den Abstieg zurück in die 3. Klasse halten die Partisanen für denkunmöglich. AUGUSTIN-LeserInnen können den Partisanenkampf zum Beispiel am Sonntag, 25. März, am FavAC-Platz in der Kennergasse lautstark unterstützen. Gegner des ersten Heimspiels der Frühjahrsrunde ist Kicker’s Kaktus (14 Uhr).

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