115 Euro für eine Woche Arbeittun & lassen

Null Verhandlungsspielraum für jobsuchede Jungjournalist_innen

Ein Beruf, der wichtig wäre für die Verteidigung der demokratischen Errungenschaften, stirbt aus: die bei den Zeitungen angestellten Journalist_innen. Printmedien, solange sie sich noch über Wasser halten können (siehe dazu den vorangestellten Beitrag), arbeiten zunehmend mit «freien» Mitarbeiter_innen, die obszön wenig verdienen; dass ihre Arbeitgeber die staatliche Presseförderung kassieren, deren Auszahlung eigentlich an die Einhaltung kollektivvertraglicher Bestimmungen geknüpft sein müsste, ist ein eigenes Thema. Die journalistische Recherche, die aufdeckt, wie das herrschende System tickt, wird zur Rarität: Den Mächtigen gefällts.Gabriele Neuwirth vom katholischen Publizist_innenverband stellte uns Aussagen von Jungjournalist_innen zur Verfügung: eine Auswahl von O-Tönen aus dem Symposium der Katholischen Medienakademie im November 2012.

Nach einem teuren, aber guten «Anfängerkurs» (3000 Euro für 3 Wochen) habe ich, da ich im Kurs durch gute Leistungen aufgefallen bin, ein «unbezahltes Praktikum» machen dürfen. Danach eine etwa 3-monatige, sehr fordernde Ausbildung, die ich ohne Einkommen überstehen musste. Jetzt bin ich Freier. Das heißt, Arbeit wie angestellt, frei von Rechten und Sicherheiten.

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Ich habe ein Diplomstudium beendet und schlage mich mit Jobs als freier Journalist bei drei verschiedenen Medien, Print und Online, durch. «Ich schlage mich durch» ist noch sehr positiv formuliert; nur mit diesem Einkommen könnte ich nicht überleben. Meine Eltern müssen mich wie in Studienzeiten mitfinanzieren. Dabei habe ich während meines ganzen Studiums darauf hingearbeitet, später vom Journalismus leben zu können.

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Es ist keine Option für eine Journalistin, einen Journalisten, den Arbeitsaufwand der mickrigen Bezahlung anzupassen also quasi die Beine hochzulagern und mal ohne große Recherche einfach irgendetwas zu produzieren. Journalistinnen, Journalisten haben (hoffentlich) ihre eigenen, hohen Ansprüche, denen sie gerecht werden wollen, sie haben (hoffentlich) Ideale und ein Berufsethos, denen sie sich verschrieben haben.

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Ich werde wohl nicht der einzige Jungjournalist sein, der sich manchmal fragt: Wozu habe ich einen akademischen Abschluss, wozu die Zusatzqualifikationen? Wozu bemühe ich mich, guten Journalismus zu machen? Wozu nehme ich den Stress jeden Tag auf mich? Wozu versuche ich kreativ zu sein, wenn ich für dasselbe (oder sogar mehr) Geld auch einfach jeden Tag um vier heimgehen und eine ruhige Kugel schieben könnte?

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Wenn ich für 5000 Zeichen und ein Foto 100 Euro bekommen habe, war das schon ganz gut. Ohne einen «Brotjob» nebenher wäre sich das nicht ausgegangen.

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Vergangene Woche lieferte ich einen Artikel über 2 Seiten ab, bringt 240 Euro. 3 Tage Arbeit für 240 Euro. Hätte ich schneller schreiben können? Vielleicht. Ich bin ein eher langsamer, gründlicher Schreiber und recherchiere intensiv, damit es eine Exklusivgeschichte wird.

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40 Euro für eine Geschichte, also eine Pressekonferenz etwa. Gut die Hälfte davon zahle ich an Steuer etc. weg da bleibt nicht mehr viel übrig. Den Stundenlohn sollte man sich da lieber nicht ausrechnen …

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Das Leben als freie junge Journalistin ist derzeit nur möglich, wenn man

a) einen Partner/eine Partnerin hat, oder Eltern, die einem das Leben finanzieren

b) keine Miete zahlt/reiche Erbin ist/einen Lottogewinn hatte oder

c) auf Teufel komm raus Schulden macht.

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Für einen Stundenlohn von 2 Euro zu arbeiten (oder auch für keinen einzigen Cent zu arbeiten kam natürlich auch vor) ist demütigend und lässt einen verzweifeln.

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Bei meinem letzten Artikel für eine Qualitätszeitung habe ich für eine Woche Arbeit 115 Euro bekommen. Wie das? Ich werde nach Zeichen entlohnt, egal wie aufwändig sich die Recherche, wie komplex sich das Thema gestaltet, 4000 Zeichen sind 4000 Zeichen, sind 115 Euro. Rechne ich das auf einen Monat um, komme ich auf 460 Euro Einkommen im Monat. Brutto.

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Reisespesen für Konferenzen, die wichtig sind, bekomme ich nicht. Ich kann nur hinfahren, wo ich privat nächtigen kann. Das Essen ist auf solchen Konferenzen immer inkludiert, und als Journalistin zahle ich keine Teilnahmegebühren. Also schmarotze ich/der Verlag auf Kosten anderer, auf den übrigen Kosten bleibe ich sitzen.

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Es ist immer eine mühsame Diskussion, mehr Bezahlung zu verlangen. Denn: Es gibt immer Leute, die dieselbe Arbeit für das Minihonorar machen, oder Praktikanten, die sie gratis erledigen. Ich habe große Angst davor, einfach nicht mehr oder nur mehr selten angerufen zu werden.

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Was mich bei der Jobsuche am meisten aufregt, mit welcher Selbstverständlichkeit potenzielle Arbeitgeber Jobs zu furchtbaren Bedingungen anbieten. Es gibt überhaupt keinen Verhandlungsspielraum, entweder man akzeptiert alle Bedingungen, oder man kann gleich wieder abrauschen.

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Das AMS schickte mich zu einem Bestattungsunternehmen. Parten texten und gestalten, Homepage. Warum nicht? Ich stellte mich beim Bestatter vor, sein Aufgabenprofil lautete schlicht: super Parten, super Homepage und so. Das Gehalt war o. k., ich versprach Super-Parten und eine Super-Homepage. Doch an der dritten Aufgabe, am «UND SO» scheiterte meine Anstellung. Der Bestattungsunternehmer hatte nach meinem Bizeps gegriffen und gesagt: «Aushelfen müssens schon a. A Leich, a Sarg, der fünfte Stock und ka Lift. Für das sinds zschwach. Tut ma lad.»

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Arbeitgeber machen sich nicht einmal die Mühe, den Eingang der Bewerbung zu bestätigen, geschweige denn, eine Absage zu formulieren. Einfach Funkstille. Das entspricht wohl der Wertschätzung, die derzeit den Journalisten und Redakteuren von ihren Arbeitgebern entgegengebracht wird.

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