13. Jänner 2006F13

♦ Stimmgewitter am Arbeitsamt ♦ Kostnixladen vor dem Arbeitsamt ♦ Freifahrtaktion ♦ Faschingsumzug & Fest mit Peace in action ♦ ABS – das Absageservice ♦ F13 Ball Amstetten

Stimmgewitter am Arbeitsamt

In Wien taucht der Musiker Stefan Sterzinger, begleitet von einem Teil des „Stimmgewitter Augustin“, überraschend in Arbeitsämtern auf. In den Warteräumen wird der Text eines alten Revolutionsliedes verteilt: … An die Türe pocht die Not / Bete kurz denn Zeit ist Brot… Die Arbeitslosen bemühen sich, mitzusingen. Bis zur allgemeinen Perfektion kann nicht geprobt werden, denn ein AMS-Bevollmächtigter glaubt zu wissen, dass ein Arbeitsamt nicht einmal im Mozartjahr eine Stätte der Musik ist. Die „vocal guerilla“ zieht zum nächsten AMS-Standort.

Kostnixladen vor dem Arbeitsamt

Vor dem Arbeitsamt im fünften Bezirk hat der Kost-Nix-Laden seine temporäre Filiale aufgebaut. Die Gruppe, die ihn betreibt, versteht sich nicht als Caritas, vielmehr als ein Projekt, das antizipatorisch die Vision der Geldfreiheit verwirklicht.

Freifahrtaktion

Ein weiterer Schauplatz des F13-Vormittags ist das Wiener U-Bahnnetz. Eine Spaßguerillagruppe in Gestalt von Schwarzkapplern ermutigt zum Schwarzfahren und informiert die Fahrgäste, dass Obdachlose den vollen Fahrpreis zahlen müssen.

Die Schwarzkappler ermutigen zum Schwarzfahren und informieren die Fahrgäste, dass Obdachlose den vollen Fahrpreis bezahlen müssen.

Faschingsumzug & Fest

Am bisher kältesten F13 wärmte die Solidarität
Bete kurz, denn Zeit ist Brot

Noch fehlen in diesem Land die Kalender, die die F13-Feiertage als Red-Letter-Days markieren. Weil der erste F13 dieses Jahres – der 13. Jänner – in die Karnevalsszeit fiel, erlebte Wien einen „Fasching von unten“. Einen schrillen, räudigen, lärmenden Umzug als Wink an die Stadt, dass „Randgruppen“, so unerwünscht und angsteinflößend sie manchem scheinen, Teil ihrer Realität sind.

Die einen hassen das „Anständige“, weil ihnen der Anstand fehlt, sich ungerechten Verhältnissen zu unterwerfen. Die anderen wollen zu den „Anständigen“ gehören, doch diese mauern sich mit „Hier wacht ein Hund“-Tafeln und mit unerfüllbaren Aufnahmekriterien ein. Die einen sind am Rand, weil sie nicht in die Mitte wollen. Die anderen wollen in die Mitte, die ihnen jedoch verschlossen bleibt. Die einen entwerfen Pamphlete mit Titeln wie „Her mit dem schönen Leben“ oder „Revolution macht glücklich“, die anderen verkaufen die Obdachlosenzeitung und träumen sich in die Normalität hinein. Unerwünscht aus der Sicht der Oberen sind die einen wie die anderen, denn sie passen nicht in die Leistungsgesellschaft und sie „stören“ im Stadtbild. Das ist ihr gemeinsamer Nenner, so sehr sie sich sonst unterscheiden. Oft kommen die einen und die anderen nicht zusammen. Dass sie es am Freitag, den 13. tun, wird langsam zur Tradition.

Der 13. Jänner in Wien beginnt mit „vocal guerilla“. In England richten sich die „guerilla gigs“ – unerwartete, unangemeldete, über Maillisten verbreitete Auftritte von Musikbands im öffentlichen Raum – gegen den Musikbetrieb.

Am Margaretenplatz beobachtet die Besatzung von mehreren Polizeibussen, was sich da am Nachmittag zusammenbraut. Die Tüwi-Volxküche rettet Erfrierende. Was gegen 17 Uhr endlich los zieht, ist halb Demo, halb Karnevalsumzug. 250 Menschen feiern „subversiven Karneval“ oder „Fasching von unten“, je nach Temperament. Die jungen Afrikaner von der Captain Nemo Band führen den Zug an. Auf Transparenten wird die Bewahrung von Freiräumen wie dem Ernst Kirchweger-Haus gefordert. Über die gesperrte Mariahilferstraße tanzt die F13-Gesellschaft dem Museumsquartier entgegen. Im MuQua-Innenhof ignorieren die Radical Cheerleaders, der Chor „Gegenstimmen“ und die Performancecrew „Slow Forward“ die Aggressivität des plötzlich auftauchenden privaten MuQua-Sicherheitsdienstes, der den Aufenthalt des Faschings im Quartiersgelände für illegal erklärt. Ihre Kollegen von der Bundespolizei sehen das nicht ganz so.

Sie begleiten den Faschingsumzug schließlich zum Amerlinghaus, wo der F13-Aktionstag mit The Red River Two ausgetanzt wird.

Ein Sündenbock erregte Aufmerksamkeit während des F13-Karnevalumzugs und später beim F13-Fest. Die Wiener „Peace in Action“-Gruppe lud unter dem Motto „Ihre Sünden möchten wir haben!“ Passanten ein, ihre Schuld abzuladen. Als Dankeschön gab`s einen von 13 Sprüchen für eine bessere Welt. Bei der Abschlussveranstaltung im Amerlinghaus wurde die geballte Ladung Schlechtigkeit verlesen und dorthin zurückgebracht, wo sie hingehört: in die Mitte der Gesellschaft! Begleitend hat das 11% K.Theater die Sünden auf der Bühne dargestellt.

Bis März 2006 war der Sündenbock in seinem temporären Zuhause in der monochrom project speis im Museumsquartier zu finden, Sünden nahm er dort gerne entgegen. Neuerdings verfügt er sogar über eine eigene E-Mailadresse: suendenbock@peaceinaction.net.

Alice Uhl, Gründungsmitglied und Obfrau von „Peace in Action“ (PIA) in Wien: „Und man könnte ja einmal darüber nachdenken, warum und wie das Konzept ‚Sünde’ funktioniert und warum wir ohne Sündenböcke nicht auszukommen meinen.“

Wie für F13 insgesamt sind Humor und Kreativität prinzipiell wichtige Ingredienzien der PIA-Arbeit. Das internationale Netzwerk wurde 2003 gegründet und versteht sich als lebendiger Teil der internationalen Zivilgesellschaft. Im Zentrum der Aktivitäten steht die aktive Friedensarbeit. Die Anregung zur Auseinandersetzung mit einem konkreten Friedensbegriff (Was bedeutet Frieden für mich?) ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer Kultur des Friedens. Die zahlreichen unterschiedlichen Antworten auf diese Frage legen nahe, dass es so viele Friedensbegriffe wie Menschen gibt, die darüber nachdenken. Und es braucht viele, die sich damit auseinandersetzen.

Wichtig ist PIA dabei ein lebendiger und fruchtbaren Austausch zwischen den Kulturen, ebenso wie zwischen Wissenschaft und Praxis. PIA versteht sich auch als Kompetenzzentrum für gewaltfreie Konflikttransformation, kreative Friedensarbeit, Empowerment und Aktionismus. Alice Uhl: „Erfreulicherweise vermehrt sich Wissen, wenn man es teilt. Die Aktionen, Workshops und Initiativen von PIA setzen auf verschiedenen Ebenen an: PIA-Joker halten Vortäge und Workshops an Universitäten, gehen in Schulen und Kindergärten, in Galerien sind sie ebenso zu finden wie auf Konferenzen. Berührungsängste sind PIA fremd, sie mischt sich ein. Und die Zugänge zum Einmischen sind so vielfältig wie die Menschen, die PIA erreichen will.“

Mehr Informationen unter: http://www.peaceinaction.net

ABS – das Absageservice

„Haben Sie schon ein Stellenangebot gefunden, das Ihnen nicht zusagt?“ – „Ja, ich glaub das hier, Immobilienfachberaterin, das passt.“

Gesagt, getan – und so diktierte die junge Frau dem freundlichen Herrn am Laptop Ihre Absage: „Sehr geehrte Damen und Herren, es tut mir leid, dass ich Ihnen die Stelle als Immobilienfachberaterin absagen muss. (…) Ich habe nämlich erst vor kurzem eine neue Wohnung bezogen und bin mit dem damit verbundenen Schuldenberg in meinem derzeitigen Leben sehr beeinträchtigt. Aus diesem Grund kann ich Ihren Job leider nicht antreten, da es mit meinem Gewissen nicht vereinbar ist, eine andere Person in eine ähnliche Lage zu bringen, …“

Im ersten Stock des Amerlinghauses hatte an diesem verkehrten Freitag das „Wiener Absageservice“ (ABS) seinen Bürobetrieb aufgenommen. Es brauchte eine Weile, bis sich die Aktion herumsprach, doch dann kam Initiator Peter A. Krobath mit dem Tippen kaum nach. Der nächste ABS-Klient sagte der Firma Steyr-Daimler-Puch ab, da er aus den Medien erfahren musste, „dass das Unternehmen Länder mit Waffen beliefert, die Israel und damit meinen Freunden feindlich gesinnt sind.“ Sein Freund wollte nicht als Fleischhauer bei SPAR arbeiten, aber aus ganz persönlichen Gründen (Vegetarier). Zwei Frauen überließen dem ABS Absagen an McDonalds, die wieder einmal „power people“ suchten: Eine, da der Lohn gerade nur für Ihre Fixkosten reichen würde („Doch was sollen ich und meine Töchter dann essen? Soll ich etwa jeden Tag die übriggebliebenen Burger mit nach Hause nehmen?“), die andere, da sie das Unternehmen schon von einer Ferialpraxis her kannte: „Weder war das Umfeld angenehm, noch hat die Aufgabe Spaß gemacht“.

F13 Ball Amstetten

Die F13-Aktionen können als Anläufe zu einem künftigen Volksbrauch verstanden werden. Das Grundmotiv der Solidarität spielt in dieser Vision ebenso eine Rolle wie das der Rebellion. Letzteres prägte die Wiener Aktionen, während in der niederösterreichischen Stadt Amstetten die Schaffung von Begegnungsräumen im Mittelpunkt steht, in denen die gewachsenen Schranken zwischen den sozialen Milieus abgebaut werden. Wien muss Amstetten werden: Erstmals hat eine Stadtverwaltung den F13-Impuls aufgenommen. Ein Bericht von Ulrike Königsberger-Ludwig, Kulturstadträtin der Stadt Amstetten.

Seit einigen Jahren „feiern“ wir in Amstetten (Kulturamt der Stadtgemeinde Amstetten) jeden Freitag, den 13. als Glückstag für Menschen, die nicht so viel Glück hatten in ihrem Leben, die psychische oder physische Behinderungen haben und oder aus diesem Grund oft am „Rande der Gesellschaft“ stehen. Auf die Idee hat mich der Augustin gebracht, den ich in Wien immer kaufe. Ich habe mir gedacht: so ein „Glücks-Freitag“ muss sich doch auch in Amstetten umsetzen lassen. Wir wollen mit „F13“ in Amstetten allen Menschen „Teilhabe“ an der Kultur ermöglichen. Wir wollen damit Begegnung schaffen zwischen den Menschen, und nicht nur „Charity“ betreiben.

Was bisher geschah:
Am Freitag, dem 13. 2. 2004 gab es eine Ausstellung „Kreativität trotz(t) der Armut“, bei der SozialhilfeempfängerInnen (Wiener und Amstettner) ihr künstlerisches Potential zeigen konnten.
Am Freitag, dem 13. 8. 2004 organisierten wir ein Konzert in einem „Szenelokal“ in Amstetten – wo besitzende Menschen für weniger besitzende Menschen Eintrittskarten kaufen konnten. Diese Karten wurden am Kulturamt hinterlegt und an Organisationen wie Caritas, Volkshilfe, Beschäftigungsinitiativen, Sozialämter, Frauenhaus etc. für ihre jeweiligen KlientInnen weitergegeben. So kamen die Menschen mit einer ganz „normalen“ Eintrittskarte und ganz ohne „Stigma“ in den Genuss eines Konzertes.
Am Freitag, dem 13. 5. 2005 gab es eine Ausstellung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und einen Kabarettabend, der nach den gleichen Bedingungen besucht werden konnte Und heuer gab es den „F13 Ball ohne Grenzen“.Bei der Vorbereitung waren eine ganze Reihe von sozialen Organisationen aus dem Bezirk Amstetten beteiligt (Lebenshilfe, Frauenhaus, Beschäftigungsinitiativen, Caritas, Psychosozialer Dienst, Sozialamt der BH und der Stadtgemeinde). Auch hier haben wir Karten zum Verkauf angeboten, die Menschen, die in den diversen Organisationen eine Anlaufstelle finden, erhalten haben. Rund 200 „gespendete Karten“ konnten weiter gegeben werden. Neben diesen Gästen haben noch rund. 500 weiter Gäste unseren „F13 Ball ohne Grenzen“ besucht, sodass wir insgesamt 700 Gäste zählten Highlights waren die Eröffnungspolonaise der Lebenshilfe Kemmelbach, ein Showblock vom Frauenbeschäftigungsprojekt un!da einer Modeschau und einer Gesangseinlage von 2 Sängerinnen der Lebenshilfe Haag. Ein besonderer Preis der Tombola war die handsignierte Krawatte des Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer. Das Motto „Begegnung statt Wegschauen“ und die Idee, jeden Freitag den 13. zu einem Glückstag für die zu machen, die an den Rand gedrängt wurden, ist in Amstetten „voll aufgegangen“ – und wir arbeiten schon an einer Idee für Oktober. Dass der Ball wiederholt wird ist nach den vielen positiven Reaktionen der BesucherInnen schon fix. Für Freitag, den 13. April 2007 ist die Festhalle bereits reserviert.