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Mindestsicherung bleibt Bundessache. Das Sozialhilfegesetz gilt. Einzig bei den vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben Bestimmungen können die Länder reagieren. Für alles andere – und das ist das meiste – bleibt das Bundesgesetz bestehen: Besonders giftig für Armutsbetroffene ist der Wohndeckel. Auch mangelnde Soforthilfe, fehlende Heilbehelfe, Barrieren für psychisch Kranke, Kürzungen bei Wohngemeinschaften sowie bei Haushalten volljähriger Personen mit Behinderung bleiben. Kanzler Sebastian Kurz’ Behauptung, dass die Sozialhilfe jetzt wieder Ländersache sei, ist fachlich und rechtlich falsch – und erzeugt in der Öffentlichkeit einen irreführenden Eindruck.
Wir brauchen eine neue Mindestsicherung, die Existenz, Chancen und Teilhabe sichert. Die Armutskonferenz hat 19 Punkte für eine bessere Mindestsicherung vorgelegt, die eine effektive Soforthilfe, kürzere Entscheidungsfristen, Dienstleistungen und Alltagshilfen, Ausbildungsoptionen, Unterhaltsreform, Anspruch auf Einbeziehung in die Krankenversicherung bei Krankheit und den tatsächlichen Wohnbedarf umfassen. Beginnen wir mit der effektiven Soforthilfe: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Die Soforthilfe funktioniert aber nicht. Bei Bekanntwerden einer Notlage muss die Behörde von Amts wegen Hilfe leisten. Die Soforthilfe muss nicht nur die Leistungen für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf umfassen, sondern auch den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung.
Weiters geht es darum, Ausbildungen möglich zu machen: Personen mit maximal Pflichtschulabschluss sollen auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Möglichkeit haben, während einer zielstrebig verfolgten Ausbildung Mindestsicherung zu beziehen. An was es seit jeher auch fehlt, sind gute Verfahrensbestimmungen und ein verbesserter Vollzug. Das heißt gesetzlich: Eine einmonatige Entscheidungsfrist einführen, drei Monate sind bei Notsituationen zu lange. Die Ämter müssen zur schriftlichen Entscheidung mit Begründung verpflichtet werden. Barrieren auf den Ämtern verlängern die Notsituation, die Hilfe wird umso schwieriger und teurer. Anträge müssen downloadbar, verstehbar, mehrsprachig, in leichter Sprache sein.
Im Rahmen einer neuen Mindestsicherung braucht es Hilfen, Angebote und Dienstleistungen für den Lebensalltag. Das bedeutet Unterstützung, die in einer ersten Phase vorrangig die «Lebensprobleme» bearbeiten: Kinderbetreuung, Gesundheit, Wohnungssicherung, Verschuldung, Einsamkeit … Für Menschen mit Behinderungen und ihre höheren Aufwendungen braucht es zur Sicherung des Lebensbedarfs Leistungen außerhalb des jetzigen Sozialhilfe-Regimes.
Noch immer gibt es keine gesetzliche Verankerung der Krankenversicherung. Betroffene gehören gesetzlich in die Krankenversicherung einbezogen, nicht in einer auf ein Jahr befristeten Verordnung. Längst überfällig ist auch eine zeitgemäße Definition der «vorrangigen Leistungen Dritter»: Unterhaltsverpflichtungen zwischen geschiedenen Ehepaaren, erwachsenen Kindern und ihren Eltern bzw. sogar zwischen Enkeln und ihren Großeltern müssen häufig gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Regelungen sind mit einem modernen Sozialstaatsverständnis nicht zu vereinbaren.
Und ganz zentral ist, dass die tatsächlichen, ortsüblichen Wohnkosten – unter Einrechnung einer eventuellen Wohnbeihilfe – getragen werden. Die Übernahme von Anmietungs- und Ausstattungskosten sind wesentliche Grundlagen zur Armutsbekämpfung. Energiekosten müssen dem Wohnbedarf zugerechnet und abgedeckt werden. Zur Erinnerung: Es geht darum, Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben.