2009 wird schaurigtun & lassen

Die an- und aufregendsten WWW-Adressen zum Begreifen der Krise

Wirtschaftskrise.jpgWenn der Augsburger Unternehmerberater Egon W. Kreutzer in der Rubrik Paukenschlag am Donnerstag, dem Aushängeschild seiner Website, in eine Diskussion mit Albrecht Müller einsteigt, der mit den Nachdenkseiten die wichtigste deutschsprachige Medienkritik im Internet betreibt, sitzt unsereins vor dem Schirm mit ambivalenter Faszination.

Wie spannend ist die Ökonomie als Wissenschaft, wenn sie vermittelt wird von ExpertInnen, die angesichts der Wirtschaftskrise dem Bedürfnis der Menschen nachkommen, in die Logik des Marktes und des Kapitalismus einzudringen, um zu verstehen. Wie ernüchternd andrerseits die Erkenntnis, dass unsereins darin wohl überfordert sein wird weil selbst die Koryphäen der Ökonomie zu kontroversen Antworten kommen.

Müller kritisiert die These, die ungerechte Einkommensverteilung habe eine Geldschwemme ausgelöst, die wiederum als Ursache für die Finanzkrise angesehen werden müsse. Die Kernthese von Müllers Kritik: Wenn es die Geldschwemme gegeben haben sollte, dann müsste man doch die Frage stellen dürfen, wo diese Geldschwemme inzwischen, also nach dem Sichtbarwerden der Krise, geblieben ist? Immerhin ist doch gerade die Citigroup in Not geraten, weil ihr mehrere 100 Milliarden fehlen. Anderen Banken fehlen ähnliche Beträge. Wenn die Geldschwemme die Ursache oder auch nur die Grundlage der Finanzkrise wäre, dann müsste dieses Geld doch jetzt zur Verfügung stehen?

Kreutzer erwidert in einer Abhandlung, die mit dem Anspruch allgemeiner Verständlichkeit verfasst ist und von der Definition des Begriffs Geld ausgeht: Das Anwachsen des nominal verfügbaren, weltweiten Geldvermögens steht in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Wirtschaftswachstum. Dieses Geldvermögen entwertet sich und das umlaufende Geld durch sein massenhaftes Auftreten selbst. Ein Prozess, der durch die Milliardenhilfen nur noch beschleunigt wird. Der finale Akt, der uns noch bevorsteht, wird sein, dass die gigantischen Mengen flüssigen Geldes mit Zahlungsmitteleigenschaften, die derzeit von Regierungen und Notenbanken bereitgestellt werden, die Märkte auf der Suche nach den letzten rettenden Sachwerten überschwemmen und sowohl die Börsenkurse wie auch die Preise in den Supermärkten in schwindelerregende Höhen treiben. Dann wird das Ausmaß der Geldschwemme nicht mehr zu übersehen sein. Ein Tsunami ist ein Dreck dagegen.

Analysen über den Zerfall der Weltordnung der Nachkriegszeit und seine Konsequenzen für die Weltpolitik liefert das Global Europe Anticipation Bulletin (www.leap2020.eu) und es will uns ebenso vor der Versuchung bewahren, unseren Regierungen die Verhinderung des vollen Krisenausbruchs zuzutrauen. Ein Kommentar zum Washingtoner Gipfelgespräch: Wenn man sich den Stil des Kommuniqués-G20-Gipfels betrachtet, der die klare Handschrift von Technokraten und Bürokraten trägt, und den Kalender der weiteren Konferenzen, den es enthält, der in keiner Weise die Konsequenzen aus dem Ausmaß und der Ausbreitungsgeschwindigkeit der aktuellen Krise zieht, dann kann man nur mit Bedauern festhalten, dass es wohl unvermeidlich ist, dass die Katastrophe sich erst in vollem Umfang einstellen muss, bevor man darauf hoffen kann, dass die Grundprobleme angegangen werden und ein Ausweg aus der Krise eröffnet wird.

Vier wesentliche Entwicklungen sind mit voller Kraft am Werk, um das System von Bretton-Woods II noch im Jahr 2009 zum Einsturz zu bringen:

1. Rasante Schwächung der maßgeblichen Gründungsländer: USA und Großbritannien.

2. Wachsende Divergenz zwischen drei unterschiedlichen Zukunftsvisionen unter den größten Systemträgern: Eurozone, China, Japan, Russland, Brasilien.

3. Unkontrollierte Beschleunigung der Selbstzerstörung des aktuellen Systems der Finanzmärkte.

4. Die Krise in Wirtschaft und Gesellschaft wirkt sich immer massiver und katastrophaler aus.

Weil mit der Krise erfreulicherweise die Kritik an den Krisenursachen wächst, sind im Internet zunehmend Projekte der Aufklärung, der Gegeninformation und der Widerstandspraxis zu finden. Dazu zählen Konsumpf, das interessanteste konsumkritische Magazin im deutschen Sprachraum, der Blog extrawagandt, der einen Experten zitiert, der plausibel voraussagt, die Inflationsrate in den USA werde im kommenden Jahr 20 Prozent betragen, das Schweizer Finanzkrisen-Info Zeitenwende, sein österreichisches Pendant Wirtschaftsforum und natürlich die Homepage der NGO attac, die die theoretische Analyse mit der politischen Praxis verknüpft: Der Surfer, die Surferin findet hier Anleitungen zur angewandten Kapitalismuskritik.