3. Brief aus der – nun bereits ein Jahr dauernden – U-HaftDichter Innenteil

Ich habe einen Traum

Emmanuel Chukwujekwu, Asylbewerber aus Nigeria, weiß nicht, wie er das Stigma „ranghoher Drogenhändler“ wieder los wird. Der österreichische Polizei- und Justizapparat tut alles, um sein Misstrauen zu fördern. Das Sicherheitsbüro wirft ihm beispielsweise vor, sich „an vorderster Front“ an einer Demo gegen Rassismus beteiligt zu haben. Was für eine Anklage. „Die Demonstration diente der Tätergruppe lediglich zu dem Zweck … als Dealer leichter ihren Geschäften nachgehen zu können“, so verfälscht das Sicherheitsbüro das Anliegen der Kundgebung (SB-Akt 26aVr 11372/98). In seinem dritten Brief aus der Untersuchungshaft an den AUGUSTIN geht Emmanuel Chukwujekwu auf diese Demonstration und auf seine Haftbedingungen ein.Ich rede von der friedlichen Demonstration, an der ich teilnahm. Als Nigerianer, der in Österreich Asyl suchte, begab ich mich zusammen mit vielen anderen Menschen auf die Straßen Wiens. Der Anlass unserer Demonstration war der Tod von Marcus Omofuma, den die Polizei, die ihn nach Nigeria deportieren sollte, an Armen und Beinen gefesselt und mit einem Klebeband geknebelt hatte. Wegen dieser inhumanen Behandlung, die ihm angetan wurde, starb Marcus während eines Flugaufenthaltes in Sofia.

Omofumas Tod hatte zur Folge, dass viele Menschen in Wien, weiße und schwarze, laut ihre Stimme gegen die unmenschliche Behandlung hilfloser Bürger erhoben.

Wenige Wochen später wurde ich, gemeinsam mit anderen schwarzen Brüdern, verhaftet und im Untersuchungsgefängnis festgehalten. Und zwar seit dem 27. Mai 1999.

Tage später rief mich der Untersuchungsrichter zu sich und gab mir ein Papier. Er beschuldigte mich, der Chef einer kriminellen Organisation zu sein, einer

Organisation von über 80 Leuten. Ich halte an meiner Unschuld fest, denn ich weiß, dass ich für politische Zwecke missbraucht werde.

In diesem Jahr im Gefängnis habe ich viele verschiedene Dinge und Menschen gesehen. Schwere Kriminelle und Leute wie ich, die aus keinen anderen als aus politischen Gründen zerstört werden. Manchmal verwenden sogar die Leute, die unsere Wachen sein sollen, eine rassistische und verletzende Sprache, wenn sie mit uns sprechen.

Ich habe schriftlich und mündlich um eine Beschäftigung im Gefängnis ersucht. Jedoch während andere Leute schon in der Woche nach ihrer Inhaftierung Arbeit finden, bekomme ich von den Verantwortlichen nur zu hören, dass es eine Anordnung des Richters sei, dass ich keine Arbeit erhalten soll, nicht einmal als Hausarbeiter – das sind die Leute, die in den Stockwerken das Essen ausgeben. Ich weiß nicht, warum ich keine Arbeit erhalten soll.

In meinem Stock bin ich der einzige Schwarze, der mit der „Operation Spring“ in Zusammenhang gebracht wird. Ich wurde meiner Rechte beraubt und habe keine Möglichkeit, Geld von draußen zu bekommen, um mich mit Nahrungsmitteln auszustatten. Es ist nicht einfach, mit dem Essen hier zu überleben. Wir bekommen einen Becher Tee und Brot in der Früh, am Nachmittag einen halben Teller Kotelett mit Kartoffeln, manchmal Spaghetti oder Reis, und abends manchmal einen Teller Suppe oder wieder Tee. Ohne Geld von draußen kann man hier kaum überleben.

Ich bekomme hier keine Besuche, und das seit acht Monaten. Die einzigen Besuche, die ich früher bekam, waren von der GEMMI (Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen), und diese sind ohne Angabe von Gründen verboten worden. Ich erkundigte mich, warum, und mir wurde gesagt, dass der Untersuchungsrichter diese Anordnung gegeben hätte.

Die sozialen Umstände im Gefängnis sind so, dass man davon lieber nicht nachhause schreibt. Wir sind 23 Stunden im Zimmer eingesperrt und werden für eine Stunde am Tag in einen „Hof“ gebracht. Waschen dürfen wir uns nur zweimal die Woche. Ich darf außerhalb meines Stocks nichts tun, wie Übungen oder Sport. Also lese ich normalerweise den ganzen Tag und schlafe so gegen 22 Uhr,

wenn das Licht ausgeschalten wird. Die Situation im Gefängnis ist furchtbar, niemand kann das ohne die Gnade Gottes durchstehen.

Trotz dieser ganzen Unterdrückung werde ich niemals aufgeben, meine Unschuld zu beteuern. Eines Tages werde ich rehabilitiert sein. Ich verstehe mich als politischer Gefangener in einem politischen Gefängnis, doch den Geist kann man nicht einsperren.

Wie Dr. Martin Luther King Jr. sagte: „Es war der Anfang von etwas und das Ende, viele Menschen waren davon betroffen und Millionen sahen am Fernseher zu, lasen in Zeitungen oder kauerten vor den Radios. Das war bis dato noch nie dagewesen und es wird niemals wieder so sein. Ein Fernsehzuschauer, ein Sonntagsschul-Picknick, eine politische Versammlung, eine eindrucksvolle Demonstration von fremder Einheit, ein sichtbares Zeichen von rassenübergreifender Einigkeit. Ich habe einen Traum, dass eines Tages meine schwarzen Brüder in einem Land leben, in dem sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden.“

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