Immo Aktuell
Überhöhte Möbelablösen und Untervermietungen mit Aufschlägen höhlen den Gemeindebau ideell von innen aus. Die Stadt hat bislang wenige Mittel dagegen gefunden.
Text: Mareike Boysen, Illustration: Much
Mira N.* entkam Ende August knapp einem digitalen Shitstorm. In einer Facebook-Gruppe mit dem Titel WG & Wohnung Wien gesucht hatte die Studentin um zwei Untermieter_innen für ihr 45 Quadratmeter großes Domizil in Döbling geworben. Dessen Anbindung an zahlreiche öffentliche Verkehrsmittel hatte sie als Pluspunkt ausgewiesen, außerdem befänden sich Billa-, Hofer- und DM-Märkte in Gehdistanz. Dass N. für die 13 und 17 m2 großen, möblierten WG-Zimmer jeweils 420 Euro verlangte, hätte allein in der digitalen Gemeinschaft Desillusionierter kaum für einen Aufschrei gesorgt. Allerdings ließ sich der sandfarbene Gebäudeklotz auf den mitgelieferten Fotos, die, wie N. bereitwillig angab, von Wiener Wohnen stammten, unschwer als Gemeindebau identifizieren.
Drei wenig zurückhaltende Kommentare zur Illegalität ihres Tuns veranlassten N. dazu, das Inserat nach wenigen Minuten zu löschen. Auf persönliche Nachfrage gab sie an, es handle sich um ein Missverständnis. Sie selbst bleibe nämlich in den gezeigten Räumlichkeiten wohnen und suche daher lediglich eine_n Mitbewohner_in. Für einen möglichen Untermietvertrag schwebe ihr eine Befristung von einem Jahr vor. Dass N. gegen die Gemeindebauauflagen und auch das Mietrechtsgesetz zu verstoßen bereit war, macht sie schwerlich zu einem Einzelfall. Als Besonderheit lässt sich für den Fall N. lediglich festhalten, dass er eine verbreitete Praxis für ein paar Minuten öffentlich machte.
Kurz und teuer.
«Untervermietungen passieren hier ständig», sagt Peter F.*, seit 60 Jahren Bewohner eines Gemeindebaus in der Leopoldstadt. «Da gibt es Wohnungen, die längst nicht mehr von den Hauptmietern gebraucht werden, und in denen es mindestens jährlich zu Untermieterwechseln kommt.» Seiner Kenntnis nach habe sich deswegen noch kein Nachbar bei Wiener Wohnen beschwert – weder der Familie mit den vielen Kindern wegen noch damals, als die Sexarbeiterin im zweiten Stock ihr Gewerbe geführt habe.
Nun ist mitnichten jede Untervermietung einer Gemeindewohnung an einen finanziell Bedürftigen, dem der Zugang zum kommunalen Wohnbau versperrt sein mag, als Kapitalverbrechen zu betrachten. Befristungen gegen den ausdrücklichen Wunsch von Untermieter_innen allerdings lassen sich ebenso wenig wie Aufschläge auf den Richtwertmietzins zur persönlichen Bereicherung von Hauptmieter_innen mit den Idealen sozialer Wohnpolitik vereinbaren. Aus Sicht der Stadt besteht das Problem der Beweisbarkeit: Solange sich weder Untermieter_innen noch Nachbar_innen zu einer Aussage vor Gericht bereiterklären, besteht kein ausreichender Grund zur Kündigung des unbefristeten Vertrags.
Hochpreisige Einbaumöbel.
Leichterer Zugriff auf einen Systemmissbrauch böte sich an anderer Stelle. Im Fall der Direktvergabe einer Gemeindewohnung von Vormieter_in an Nachmieter_in darf laut Vorgaben von Wiener Wohnen für Einbaumöbel eine Ablöse von maximal 5.000 Euro verlangt werden. Problematisch ist, dass sich dieser Höchstsatz längst zum Standard entwickelt hat, während das Konzept Einbaumöbel erheblichen Interpretationsspielraum zu lassen scheint. Kaum ein Inserat in den sozialen Netzwerken, das nicht für die obligate mittelbraune Schrankwand aus MDF-Platten, den Couchtisch mit Flieseneinlassungen, drei Gardinen und eine Klobrille mit Leuchtturmmotiv 5.000 Euro verlangen würde.
Für Nachmieter_innen bedeuten Direktvergaben also im besten Fall eine passable Einbauküche. Im Regelfall ermöglichen sie einen Umzug in den Wunschbezirk und verkürzen außerdem die Wartezeit auf eine annehmbare Gemeindewohnung erheblich. So wird in der Septemberausgabe des Wohnungsanzeiger, einer monatlich erscheinenden Broschüre von Wiener Wohnen, für etliche der inserierten Direktvergaben lediglich das Vormerkdatum Ende Juli oder Ende August 2020 vorausgesetzt. Das hat seinen Preis: Für 17 von 64 direkt vergebenen Ein-Zimmer-Wohnungen wird die Höchstablöse von 5.000 Euro verlangt, der Durchschnitt liegt hier bei 3.109 Euro. Von den jetzigen Mieter_innen der 150 direkt zu vergebenden Zwei-Zimmer-Wohnungen verlangen 83, also mehr als die Hälfte, den Höchstsatz. Bei Drei-Zimmer-Wohnungen sind es zwei Drittel.
«Die Richtigkeit der Höhe der Ablöse für zurückgelassene Einrichtungsgegenstände oder Geräte kann nicht beurteilt werden, da erst bei einer Einigung zwischen VormieterIn und Ihnen feststeht, welche Gegenstände übernommen werden», gibt Wiener Wohnen dazu an. Gutachten zur Wertschätzung von Einzelmöbeln sind nicht vorgesehen. Immerhin lässt sich bei der Schlichtungsstelle der MA 50 bis zu zehn Jahre nach Vertragsabschluss ein Antrag auf Rückzahlung einer überhöhten Ablöse einbringen. Wer Glück hat, dessen Vormieter_in ist liquide genug, das übermäßig Geforderte abzugelten. Wer weniger Glück hat, hat einen Betrag von 5.000 Euro nie auf einmal aufbringen können. Eine Hürde, von der Untervermieterin Mira N. absieht. Auf einem inoffizielleren Weg, schreibt sie, habe sie längst eine Mitbewohnerin gefunden.■