«52 Wasserkocher»vorstadt

Lokalmatadorin

Helene Prenner hat mit der Wichtelchallenge eine neue Form des Miteinanders geschaffen.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Dieses Strahlen in ihrem Gesicht und diese Lebensenergie! Sie fällt auf in ­einer Stadt, die unentwegt ihre ­Lebensqualität bewirbt, gleichzeitig aber zu viele Menschen produziert, die alles andere als glücklich dreinschauen.
Acht Stunden pro Woche arbeitet Helene Prenner für das Future Health Lab im Cape 10, dem «Kap der guten Hoffnung» im neuen Sonnwendviertel hinter dem Hauptbahnhof.

Besser.

Das erst wenige Monate alte Haus ­wurde von der Zivilgesellschaft errichtet. Es dient als «Ort der Zukunft und der ­sozialen ­Innovation». Aus gutem Grund: «Hier werden wohnungslose Frauen betreut, Kinder verarztet, mittellose Erwachsene behandelt und ­einiges mehr.»
Im Future Health Lab im zweiten Stock arbeitet Helene Prenner an neuen Konzepten, deren übergeordnetes Ziel sie so erklärt: «Wir wollen eines der besten Gesundheitssysteme der Welt so verändern, dass es Krankheiten erst gar nicht entstehen lässt und dass es alle, die doch krank werden, bestmöglich versorgen kann.»
Die Gesundheitsökonomin hat zig Ideen dazu, kennt aber inzwischen auch die Schwerfälligkeit in einer Stadt, in der für Regierende «gut» oft «gut genug» bedeutet und «besser» keine Option sein darf.
Vierzig Stunden pro Woche, das sei noch erwähnt, arbeitet Helene Prenner für die ELGA GmbH. Diese hat den gesetzlichen Auftrag, die Gesundheitsdaten aller Bürger:innen «möglichst so zu digitalisieren, dass die Daten ihnen dienen, und nicht umgekehrt».
Spätabends und am Wochenende bringt ­Helene Prenner mit ihrem Freund Florian Reichl und anderen Ehrenamtlichen ihr Herzensprojekt, die Wichtelchallenge, weiter ­voran. «Die Challenge», erzählt sie, «haben wir vor fünf Jahren gestartet, im Advent 2017.»
Und das kam so: Auf die Frage von jungen Leuten aus dem Ur-Wichtel-Team, was denn in ihrem Leben einen ­entscheidenden Unterschied machen würde, soll eine ­wohnungslose Wienerin geantwortet haben: «Ein Wasser­kocher. Damit ich mich mit warmem Wasser waschen kann.» Eine erste Recherche auf ­einer Internetverkaufsplattform zeigten ­Helene Prenner damals «52 Wasserkocher, die weniger als zwanzig Euro kosten».

Advent, …

Der erste Wunsch war erfüllt und fast zeitgleich eine neue soziale Idee geboren. In nur zwei Wochen richteten die fünf Gründer:innen eine eigene Internetseite ein. Bis Anfang Dezember sammelten sie dort 150 Wünsche. «Alle zu erfüllen, war eine echte Herausforderung», sagt Helene Prenner heute.
Nie vergessen wird sie daher den 23. Dezember 2017: «Als wir am Abend auch noch den 150. Wunsch erfüllt hatten, da war das für mich mein schönstes Weihnachten.»
Inzwischen ist die Wichtelchallenge ein Wiener Exportschlager: Im Advent 2022 wird sie erneut in allen Bundesländern sowie in Deutschland, der Schweiz und Slowenien gestartet. Die ehrenamtliche Obfrau erzählt: «Wir konnten bisher mehr als 8.000 Wünsche erfüllen. Und es gibt Anfragen aus London, Irland, den USA, Indonesien, Australien, Neuseeland, Portugal und Tschechien. Alle wollen unsere Idee nachahmen.»
Luftsprünge für den Fotografen vollzieht Helene Prenner im Cape 10 schon heute. Und sie macht das aufgrund der bisherigen Social-Media-Arbeit ziemlich perfekt. Das Organisationsteam ist inzwischen auf 120 Wichtel angewachsen. Doch zufriedengeben mit dem Erreichten will sie sich noch lange nicht. Ihre Vision: «Weltweites wichteln!»
Aufgewachsen ist sie in einer kleinen intakten Welt, in Oberrettenbach im oststeirischen Bezirk Weiz: «Drei Häuser nebeneinander, und alle Menschen dort mit mir verwandt.» Ihre Mutter arbeitete erst als Bürokauffrau, ehe sie die ­eigenen Schafe zu hüten begann, der Vater führte selbstständig ein technisches Büro für Stahlbau.
Mehr von der Welt kennen lernte die ­geborene Steirerin dann während ihres Studiums für Gesundheitsökonomie und Prävention. In Pinkafeld erst, Maastricht, Innsbruck, Oslo und ­Bologna dann.
In Wien lebt und arbeitet Helene Prenner seit 2017. Wien mag sie nunmehr, wenngleich es nicht so war wie in den anderen Städten, in ­denen sie ankam: «Dort habe ich mich auf Anhieb zuhause gefühlt.» Weiterhin schwer tut sie sich mit der Einstellung, dass «eh» alles «ganz gut» ist.

…, ein Wichtel rennt.

Die Obfrau muss jetzt gleich los. Am 15. November öffnet sich auf der Seite www.wichtelchallenge.at wieder das Fenster – mit allen bis dahin eingelangten Wünschen. Alle, die wichteln möchten, haben dann bis kurz vor Weihnachten Zeit, bedürftigen Menschen etwas Gutes zu tun.
Apropos: Für Weihnachten 2022 wünscht sich Helene Prenner nichts, was jetzt noch überrascht, nämlich «dass wieder alle ­Wünsche in Erfüllung gehen.»

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