Eröffnung der Shoah-Gedenkmauer
42 Wiener Synagogen und Bethäuser wurden im Novemberpogrom im Jahr 1938 zerstört. Eine davon stand in der Alsergrunder Müllnergasse 21. Max Ullmann war dort Tempeldiener, als in der Nacht vom 9. auf den 10. November eine Gruppe von SS-Leuten unter Otto Skorzeny die Synagoge angriff und Ullmann schwer misshandelte. Skorzeny starb strafrechtlich unbehelligt im Jahr 1975 und wurde am Döblinger Friedhof – angeblich durch Hitlergruß-salutierende Ex-Soldaten – zu Grabe getragen. Das ist eine von vielen Historien, die es am Alsergrund zu erinnern gilt. Am 9. November diesen Jahres wird im Ostarrichi-Park zwischen Nationalbank, Altem AKH und Alser Straße die «Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich» eröffnet. Auf Granittafeln, zu einem Rundgang angeordnet, sind die Namen von 64.435 Personen eingraviert. Die Steintafeln sind eine Entscheidung, für die es viele gute Gründe gibt. Von halb außen betrachtet sind sie aber auch erstaunlich graffitifreundlich, das Format ist konservativ – aber damit wiederum leicht erfassbar, schnell lesbar, monumental. Es gibt auch ganz andere, weniger sachliche Gestaltungen: Im Garten der Budapester Synagoge in der Dohány utca etwa steht eine metallene Trauerweide, jedem Opfer ist ein Blatt gewidmet. Weht der Wind, dann klingen die Blätter leise – und traurig.
Die neue Gedenkstätte ist nicht die erste ihrer Art in Wien, aber sie ist ein Projekt unter prominenter Beteiligung des Bundes. Das hat finanzielle und symbolische Bedeutung. Wenn der Bund nun im Jahr 2021 den Opfern der Shoah gedenkt – wieso gedenkt er der größten Opfergruppe namentlich und allen anderen nur auf einer gemeinsamen Zusatztafel? Diese Frage müssen sich Auftraggeber und beratendes Komitee gefallen lassen.
Der jüdische Intellektuelle Doron Rabinovici schreibt in der Tageszeitung Der Standard: «Eine sichtbare Gedenkstätte für alle ermordeten Roma und Sinti im Zentrum der Stadt fehlt.» Es fehlen die Namen, es fehlt auch die Forschung. Man darf sich andererseits darauf verlassen, dass eine neue Generation erinnerungspolitischer Aktivist_innen diese nachholende Entwicklung erkämpfen wird.