Augustin 325 - 07/12

Konrad und Benedikt
Ein Zensurfall sorgt für Aufregung. Der deutsche Papst hat das Titelbild eines deutschen Magazins verbieten lassen. Die Titanic, bekannteste deutschsprachige Satire-Zeitschrift, hatte unter dem Titel Halleluja im Vatikan Die undichte Stelle ist gefunden! den Papst von vorn und hinten gezeigt einmal mit gelbem, einmal mit braunem Fleck auf der Soutane.
In einer Körperhöhe, in der sich normalerweise die weißen Unterhosen des Zeichners Manfred Deix bewegen, die gelegentlich ebenfalls genannte Verfärbungen aufweisen. Die Veröffentlichung spielt auf die Vatileaks-Affäre im Vatikan an, infolge der mehrfach geheime Dokumente aus dem Vatikan publik geworden sind.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) stellte sich auf die Seite der Zeitschrift. Die gerichtliche Verfügung gegen das Papst-Titelbild sei überzogen, kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. «Auch der Papst muss sich Satire gefallen lassen», sagte Konken. Benedikt XVI. werde von Titanic als Sinnbild der Vatileaks-Affäre dargestellt. «Das ist legitim», erklärte der DJV-Vorsitzende. «Über Geschmack lässt sich streiten, aber die Darstellung fällt unter die Freiheit der Satire.»
Das Vorgehen des Papstes verwunderte nicht wenige. Der Katholiken-Elite mit ihrer 1800-jährigen Herrschaftserfahrung, mit ihrer von Papst zu Papst überlieferten Machtausübungskompetenz, hätte mensch sich eher ein souveränes, komplettes Ignorieren dieser ohnehin nur mäßigen Satireleistung erwartet. Das Vorgehen des Papstes bewirkte, dass das Cover von Titanic weltweit verbreitet wurde so breit wie noch nie.
Szenenwechsel. Zu einem österreichischen Wirtschafts-Papst. Der Ex-Boss des Raiffeisen-Imperiums Christian Konrad, der die Zehn Gebote ausreichend für die Sicherung der Moral in Politik und Wirtschaft hält, wurde vom «Standard» (23./24. Juni 2012) unter anderem zur «immerwährenden» Raiffeisen-Watch-Rubrik im Augustin interviewt:
Standard: Ich habe Ihnen den Augustin mitgebracht. Sie fahren nie U-Bahn, kommen nicht an den Obdachlosen vorbei, die ihre Zeitung verkaufen …
Konrad: Ich habe den Augustin jahrelang gekauft, weil mir die Verkäufer leid tun.
Standard: Da haben Sie meinen.
Konrad: Ich will ihn nicht.
Standard: Weil Augustin Raiffeisen-kritische Artikel veröffentlicht?
Konrad: Die falsch sind.
Standard: Wenn das so ist, reagieren Sie darauf?
Konrad: Nein.
Die pauschale Verunglimpfung der auf nachprüfbaren Informationen beruhenden Augustin-Analysen als «falsch» erfüllt den biblischen Tatbestand, ein falsches Zeugnis abzulegen. Schande über den 10-Gebote-Konrad! Andrerseits sollte mensch die Gepflogenheit des Nicht-Reagierens des Konzerns auf angebliche Unterstellungen im Augustin gebührend respektieren. Aus der Perspektive von Herrschaftswissen ist Konrad raffinierter als der schlecht beratene Benedictus. Letzterer hätte wohl, wenn ihm nicht die Kirchtürme unseres Landes, sondern die Lagerhaustürme unterstünden, dem kleinen, ohnmächtigen Augustin längst zur Gnade eines Öffentlichkeit schaffenden Gerichtsverfahrens verholfen.