Augustin 375 - 10/2014

Kein Theater
Immer dann, wenn eine den Augustin betreffende Medienanalyse veröffentlicht wird, rufen wir in Erinnerung, wie der kryptische Name unserer Betriebstheatergruppe «11% K. Theater» zu dechiffrieren ist.
Die Erstveröffentlichung des Rätsels Lösung stammt aus dem Jahre 2002, als es geheißen hat: «Als es nämlich notwendig geworden war, dem jüngsten Kind der Augustin-Familie, der Theatergruppe, einen Begriff zu geben, lagen zwei konkurrierende Vorschläge am Tisch: «K. Theater» (als Kurzform von «mach‘ kein Theater») und «11 % Reichweite». Der synthetische Kompromiss liefert zwei Informationen: Wir machen eine Zeitung, die von elf Prozent der erwachsenen Wiener_innen gelesen wird (Medienanalyse IFES / Fessel GfK), und daneben machen wir auch Theater.»
Zwischenzeitlich hätte die Truppe auf «12% K. Theater» umbenannt werden müssen, und dieser Tage wäre streng genommen ein Downsizing auf 5,5 Prozent durchzuführen gewesen.
Aber was sagt uns das Ergebnis der brandneuen Reichweitenstudie der CAWI-Print (eine Initiative von The Media Consultants und GfK Austria), die «spezifische Magazine und Zeitschriften» untersucht? Haben wir tatsächlich innerhalb weniger Jahre mehr als die Hälfte der Leser_innen verloren? Oder sagt es einfach nur, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann, also dass Medienanalyse nicht gleich Medienanalyse ist? Zum Glück letzteres, denn bei der CAWI-Print ist heuer der Augustin zum ersten Mal mit von der Partie gewesen, somit fehlen Vergleichswerte zu früheren Jahren. Aber eines steht fest, im Bereich der Special-Interest-Medien hat der Augustin übermächtige Konkurrenz wie die Blätter von den Handelsriesen Spar mit dem Titel «Mahlzeit» (22,1 Prozent Reichweite im Bundesgebiet, 1. Platz) und Billa mit «Frisch gekocht» (18,2 Prozent, 2. Platz). Im Vergleich dazu hat der Augustin lediglich 1,9 Prozent im Bundesgebiet und in Wien die oben erwähnten 5,5 Prozent.
Mit dieser per Onlinebefragung durchgeführten Studie, an der 5000 Personen teilgenommen haben, wurde aber nicht nur die Reichweite erhoben, sondern auch nach den allgemeinen Interessensgebieten der Leser_innen gefragt. Und wenig überraschend erhielt das Themengebiet «Österreichische Politik» unter den Augustin-Leser _innen den höchsten und «Kabarett» den niedrigsten (Stellen)Wert. Doch die große Überraschung lieferte die Frage nach dem Interesse an «Oper, klassische Konzerte», denn Augustin-Leser_innen sind Liebhaber_innen Klassischer Musik, ein Gebiet, das so gut wie gar nicht im Augustin behandelt wird.
Auch in dieser Ausgabe wird die E-Musik nur tangiert, u.z. im Interview mit der Filmemacherin und Augustin-Mitarbeiterin Doris Kittler, die den Widerstand zum Bau des Sängerknaben-Saals mit der Filmkamera dokumentierte (S. 26/27). Geografisch betrachtet streckten wir unsere Fühler westlich bis nach Linz und Leonding. In die oberösterreichische Landeshauptstadt, weil sich auch dort eine Initiative gegen Leerstand und Immobilienspekulation gebildet hat (S. 16/17), und in deren Vorstadt, weil aus Leonding Wasserwerfer der Referenzklasse kommen (S. 12). Nordostwärts ging es ins slowakische Lomnicka, wo sich die Bewohner_innen meist nicht einmal das Ticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten können. So weit, so schlecht, und trotz mageren 1,9 Prozent Reichweite in Österreich werden wir auch weiterhin über den Tellerrand schauen und nehmen uns fest vor, bis zum Jahr 2020 das Magazin «Mahlzeit» überholt zu haben.