
Lokalmatador
Werner Brunner setzt sich seit seiner Jugend für den WAT Brigittenau ein – ehrenamtlich. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)
Reine Männersache: Tatsächlich finden sich an diesem Donnerstagvormittag im Gymnastikraum der Sporthalle in der Hopsagasse ausschließlich Männer ein, mit schneeweißen Haaren und bunten Trikots. Auch eine Frau. Sie ist deutlich jünger als die elf Kursteilnehmer. Sie ist ihre Trainerin.
«Wir haben diesen Kurs mit einem Augenzwinkern, aber auch mit ernstem Hintergedanken ‹Reine Männersache› genannt», erklärt Werner Brunner, einer aus der weißen Elf. «Weil wir festgestellt haben, dass viele ältere Männer gerne ihre Muskulatur dehnen und kräftigen würden, aber nicht unbedingt in einer großen Frauenriege.»
Werner Brunner ist Ehrenpräsident des WAT Brigittenau. Seit seiner Kindheit fühlt er sich dem Wiener Arbeitersport-Verein, der heuer 100 Jahre alt wird, verbunden. Mit Stolz berichtet er beim Aufwärmen der Muskulatur, dass sein Verein 1500 Mitglieder zählt – aus allen Einkommens- und Altersklassen.
Sportliche Vorbilder.
«Schon meine Eltern waren beim WAT Brigittenau aktiv», sagt der ehrenamtliche Funktionär dann. Sein Vater war Beamter bei der Bundesbahn, seine Mutter kaufmännische Angestellte bei einer großen Firma. In ihrer Freizeit haben beide gerne Sport betrieben: «Gut in Erinnerung sind mir noch die Wanderungen, die wir am Wochenende gemeinsam mit anderen aus dem Verein unternommen haben.»
Werner Brunner hat auch nicht vergessen, dass seine Eltern viel von ihrer freien Zeit fürs Vereinsleben aufgebracht und unentgeltlich beim Organisieren mitgeholfen haben. «Mein Vater war eine Zeitlang Mädchen für alles. Noch mit neunzig, ein Jahr vor seinem Tod, hat er unsere Kegel-Turniere organisiert.»
Das gemeinsame Sporteln und das Engagement für den Amateursport haben ihn nachhaltig beeindruckt: «Auch ich bin beim WAT groß geworden», erzählt der Ehrenpräsident, bevor ihn die aufmerksame Vorturnerin zu etwas mehr Konzentration bei den Dehnungsübungen ermuntert. In seiner Jugend hat er Handball gespielt, geturnt und Leichtathletik betrieben. Das Wechselspiel aus Bewegung und Begegnung hat ihn schon in jungen Jahren fasziniert. Heute kann er sagen: «Ich habe hier viele verlässliche Lebensfreund_innen gefunden. Egal, wie es mir geht, hier fühle ich mich bestens aufgehoben.»
Freundschaftlich ist auch der Umgang im reinen Männerkurs. Alle sind mit dem notwendigen Ernst und Ehrgeiz bei der Sache, zwischendurch läuft ein gepflegter Schmäh, der auch der jungen Trainerin öfters ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Der Sport ist hier kein Millionengeschäft, sondern eine Freizeitgestaltung in Reinkultur. Anders als im Fitnesscenter Manhattan auf der anderen Seite des Donaukanals schwitzen beim WAT Brigittenau mehrere Menschen, die mit ganz wenig Geld Monat für Monat über die Runden kommen müssen.
Die moderaten Mitgliedsbeiträge decken weitgehend die Kosten für Miete und Personal. Der kleine Sportverein trägt somit nahezu unbeachtet mehr zur Integration und Inklusion bei als manch vielbeworbene Promiinitiative. Dafür ist auch dem nicht müde werdenden Ehrenpräsident zu danken.
Sein Geld hat Werner Brunner in einer Branche etwas entfernt vom WAT verdient: «Bis zu meiner Pensionierung war ich in der Verlagsbranche tätig.» Stolz ist er unter anderem darauf, dass er dem dazumal blutjungen Thomas Brezina eine faire Chance bieten konnte: «Weil ich mir sicher war, dass in dem Burschen ein großes Potenzial als Erzähler steckt.» Die Knickerbocker-Bande hatte Brezina bereits zu Papier gebracht. Daher konnte er – wie heute alle immer schon gewusst haben – wenig später mit seinem Tom Turbo einen Turbo zünden und zum weltweit gelesenen und gefeierten Kinderbuchautor durchstarten.
Willkommen.
Dann hebt sie förmlich ab, die weiße Elf vom Donaukanal, auf einem Gummiball sitzend, Arme und Beine weit vom Rumpf gestreckt, um so die Balance auf dem Ball zu halten. Freundschaft verleiht Flügel!
Sein Vater habe ihm ein halbes Jahr vor seinem Tod erklärt: «Das Leben ist ein Geben und ein Nehmen.» An diesem Donnerstagvormittag darf Werner Brunner nehmen. Beim Training spürt er wieder die Emotionen seiner Jugend. Sein Sportverein hält für ihn aber auch noch ausreichend Aufgaben parat.
Jenen eine Chance geben, die beim Start in ihr Leben nicht unbedingt bevorzugt wurden – dieses Ziel verfolgt er auch in seiner Pension. Ein Projekt, das ihm besonders am Herzen liegt, sind die Schwimmkurse, die der WAT Brigittenau für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge organisiert. Etliche junge Männer hat man bisher im nahe gelegenen Brigittenauer Hallenbad willkommen geheißen. Im Schwimmbecken konnten sie unter der Aufsicht gut ausgebildeter Instruktor_innen lernen, ihren Kopf über Wasser zu halten, die Prüfung für das Schwimmabzeichen bestehen, Selbstvertrauen tanken.
Nach der Übungsstunde erzählt Werner Brunner von seinem jüngsten Coup: «Wir wollen mit dem ASKÖ WAT Wien 10.000 Wiener Kindern aus weniger begüterten Familien gratis das Skifahren beibringen.» Die ersten Kurse fanden vor Weihnachten in der Skiregion Obertauern statt. Für die Kinder waren die Tage auf Ski und auf präpariertem Schnee wie ein vorverlegtes Weihnachtsfest.