A G’spia fürs Tier: Training für LiloBoulevard-Blog

Boulevard-Blog vom 20.09.2023

Augustin-Verkäufer Alfred kommt gerade so über die Runden. Seine Hündin liebt er über alles – ihr aufmüpfiges Gemüt macht jedoch teure Trainer:innenstunden notwendig. Eine Initiative bietet Hilfe.

«Die Lilo? Die verkauft mehr Zeitungen als ich», sagt Alfred und streichelt die zarte, schwarze Hundedame, die auf seinem Schoß liegt. Selbst wenn Leute eigentlich keinen Augustin kaufen wollen – sobald Lilo sich aus der Deckung wagt, werden dann doch einige weich. Lilo ist neun Jahre alt. Alfred ist ihr dritter Besitzer. Ein Leben ohne sie kann er sich heute nicht mehr vorstellen: «Das ist meine Prinzessin, meine Lebensabschnittspartnerin», sagt er, als sie ihm die Vorderpfoten auf die Brust stellt.

«Tiere sind eine ganz wichtige Stütze im Leben vieler Menschen. Wenn diese finanziell nicht gut aufgestellt sind, kann das ein echtes Problem werden», erklärt Sabine Rauscher, Initiatorin von A G’spia fürs Tier der Volkshilfe in Wien. Seit 2014 nimmt sie sich mit ihren Kolleg:innen dieser Probleme an. Manchmal müssen ihre Klient:innen einen längeren Spitalsaufenthalt absolvieren und haben niemanden, der oder die währenddessen die Pflege der Haustiere übernimmt. Oder es fehlen die Ressourcen, um für einige Einheiten Hundetraining aufzukommen, wenn der Vierbeiner Problemverhalten zeigt.

Wirbel vermeiden

«Vor allem für wohnungslose Menschen, die den Schritt von der Straße in Betreuungseinrichtungen machen, wird es dann schwierig. Als wir begonnen haben, waren Hunde nicht in allen Einrichtungen des Fonds Soziales Wien erlaubt», sagt Rauscher. Wenn in einigen wenigen Schlaf- oder Tagesstätten dann umso mehr Tiere mitgenommen werden, ist Wirbel vorprogrammiert. Beißen oder ständiges Bellen können im schlimmsten Fall den Schlafplatz kosten – die Menschen landen wieder auf der Straße. Ziel sei es daher einerseits, finanziell Benachteiligten die Möglichkeit zu geben, den Hundeführerschein zu machen und zu lernen, wie mit auffälligem Verhalten am besten umgegangen wird, so Rauscher. Und andererseits auch dem Betreuungspersonal in den Obdachloseneinrichtungen Schulungen im Umgang mit Hunden anzubieten. Möglich ist das alles nur durch Förderungen, die Rauscher jedes Jahr aufs Neue beantragt.

Hundebesitzer Alfred ist 69. Den Augustin verkauft er seit 26 Jahren. Von seiner Pension bleiben ihm zum Leben wöchentlich zwischen 100 und 150 Euro. Die bekommt er von seinem Erwachsenenvertreter. Schulden und eine psychische Erkrankung hatten die Vertretung notwendig gemacht. Heute ist Alfred gut medikamentös eingestellt und hofft, dass er es ab kommendem Jahr alleine schafft. Der Augustin ist ein wichtiges Zubrot für Alfred. Manchmal wird es trotzdem knapp, und darunter leidet nicht nur er, sondern auch Lilo. Eine Impfung wäre längst fällig, die Tierarztkosten sind aber eine Herausforderung. Und hin und wieder gibt es Zorres mit der kleinen Hundedame. Lilo ist Fremden gegenüber meist aufgeschlossen und genießt Streicheleinheiten sichtlich. Manchmal reagiert sie aber auch bissig. Deshalb will Alfred jetzt an seinem Umgang mit Lilo arbeiten. Dafür besucht ihn eine Hundetrainerin, die ihm A G’spia fürs Tier vermittelt.

Freiwillige und Profis

Betreuungsarbeit wie das Anbieten von temporären Pflegestellen oder Gassidiensten werden größtenteils von Freiwilligen erledigt – die individuelle Trainingsarbeit wird allerdings von Profis gemacht. Diese stellen ihre Dienste für einen Sondertarif zur Verfügung, damit sich die Kosten decken lassen. Wie viele Menschen unentgeltlich ihre Mithilfe anbieten, zeigen Zahlen, die Projektmitarbeiter Helmut Mühlbauer zusammenträgt: Rund 25.500 geleistete Freiwilligenstunden waren es 2022.

Anfragen an A G’spia fürs Tier können niederschwellig per Telefon, aber auch mit ausgefülltem Fragebogen per Mail gestellt werden. Danach kommt es zu einem Kennenlernen und Evaluieren, welchen Bedarf die Tierhalter:innen haben. Werden temporäre Pflegestellen gebraucht, müssen sich Tier und Freiwillige erst kennenlernen, bevor eine Zusage erfolgen kann. Das Credo von Rauscher lautet, erst einmal alles zu versuchen, damit Besitzer:innen auch in Notsituationen ihr Tier nicht verlieren oder ans Tierheim abgeben müssen: «Tiere geben dem Tag eine Struktur. Vor allem Hunde müssen vor die Tür. Das motiviert einen, auch dann rauszugehen, wenn es einem mal nicht gut geht.» Außerdem gäbe es bei endgültigen Abnahmen keine Gewinner:innen. Tierbesitzer:innen leiden, die Tiere ebenso und Tierheime seien ohnehin immer zum Bersten voll.

Fürs Erste hat Alfred keine Fragen mehr. Er setzt Lilo im kleinen Garten im Innenhof des Volkshilfegebäudes ab. Die Hündin hängt sich ins Geschirr, dass ihr Herrl gehörig zu tun hat, die Leine in der Hand zu behalten. Die Meerschweinchen dort im Gehege haben es Lilo angetan. Das A G’spia fürs Tier Team hat sie ohne Ablaufdatum bei sich einquartiert.

Weiterführender Link:
A G’spia fürs Tier – Kompetenzstelle für Mensch-Tier Beziehung der Volkshilfe: www.volkshilfe-wien.at/soziale-arbeit/tierbegleitet-bewegen/

Bild: Kennenlernen und Bedarf checken – A G’spia fürs Tier-Mitarbeiter Helmut Mühlbauer und Hundebesitzer Alfred
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