Abenteuer aus der Tauschzentralevorstadt

Heftromane – die Auswahl ist so bunt wie deren Cover (Foto: © Chris Haderer)

Der Handel mit Heftromanen war einmal ein florierendes Geschäft. Heute gibt es nur noch ein paar Romantauschzentralen, die mehr von der Vergangenheit leben als von der Gegenwart.

Sie sind ein bisschen wie Relikte aus einer verflossenen Zeit; aus den Nachkriegs- und Aufbaujahren, in denen noch am späteren Wohlstand gearbeitet wurde. Bis in die 1970er- und 1980er-Jahre waren Romantausch-Geschäfte ein Teil des literarischen Alltags der Alpenrepublik. Auf der einen Seite vom Bildungsbürgertum wegen der angeblich minderen Qualität von Heftromanen, Comic-Heften und Zeitschriften gemieden, andererseits aber eine nie versiegende Quelle an preiswertem Lesestoff: vom Arzt- oder Liebesroman über Krimis und Western bis hin zu utopischen Abenteuern im Weltraum wurde kaum ein Genre ausgelassen. «1979 hat es in Wien gut hundert Romantauschzentralen gegeben», erinnert sich Andreas Bitterer. Gemeinsam mit seinem Bruder ­Manuel betreibt er zwei Romantausch-Geschäfte in Wien, eines am Kagraner Platz 5 und eines in der Viktoriagasse 14 in Rudolfsheim-Fünfhaus.
Neben dem klassischen Heftromantausch führen die Brüder auch Taschenbücher, Kommissionsware, versorgen Lotto-Spieler:innen und sind außerdem ein Paketshop. In Deutschland war das Tauschgeschäft verboten: Im Impressum der Romane stand der Hinweis, dass der gewerbsmäßige Umtausch nicht erlaubt ist. In Österreich wurde es toleriert, in Deutschland nicht, deshalb konnte sich hier eine ­große ­Szene entwickeln», so Andreas Bitterer. Die ist allerdings längst Vergangenheit: So wie es in den 1980er- und 1990er-Jahren in Wien etwa 1.000 Videotheken gab, von denen heute nur noch eine Handvoll existieren, sind auch Roman-­Shops eine langsam aussterbende Spezies. «Wenn ich in ein paar Jahren in Pension gehe, dann ­verschenke ich die Hefte oder sie landen im Altpapier», sagt Manuel Bitterer. «Einen Nachfolger gibt es nicht, weil sich niemand mehr dieses Gröscherlgeschäft antun will.» Der Tausch eines Heftromanes kostet etwa 50 Cent: «Wir sprechen da wirklich von Kleinbeträgen», sagt Andreas Bitterer. Ein Wachstumsmarkt ist der Romantausch nicht, «weil es kaum junges Publikum gibt. Sammler gibt es schon auch noch, das sind zu 90 Prozent ältere Männer, die ihre Sammlungen komplettieren wollen. Während manche Genres boomen und dann wieder verschwinden, ist die Frequenz bei Western und Krimis meistens gleichbleibend. Die Leute kommen außerdem zum Reden.»

Prä-Internet

Vor etwa 40 Jahren, während ­ihrer Blütezeit, musste man Roman-Shops oder Tauschbörsen nicht lange suchen, weil es in jedem Bezirk mehrere davon gab. Oft waren es unscheinbare, schmale Geschäfte, die im hinteren Teil den Charme eines Lagers versprühten und vorne mit Regalen vollgeräumt waren. Bücher gehörten damals noch nicht zum Sortiment, dafür Heftromane, üblicherweise auch Comics und verschiedene Zeitschriften – und je nach Geschäft «unter der Budel» eine mehr oder weniger große Auswahl von Pornomagazinen, die im Prä-Internetzeitalter schwer zu bekommen waren. «Als ich in den 80er-Jahren angefangen habe, sind am Nachmittag immer die Kinder gekommen und haben ihre Micky-Maus-Hefte getauscht. Das ist weggefallen», sagt Manuel Bitterer. «Heute möchten die Kinder lieber Spielsachen, die sie aus dem Fernsehen kennen. Für uns ist das Kommissionsware, an der wir nicht viel verdienen. Aber früher hatten die Leute nichts anderes, es war ein billiges Vergnügen. Die Arbeiter haben sich billige Romane geholt und in der Straßenbahn gelesen.»
Die typische Klientel von Andreas und ­Manuel Bitterer scheint mit Heftromanen aufgewachsen und älter geworden zu sein: Die ­Sorge der Händler:innen, dass ihnen langfristig die Kund:innenschaft wegstirbt, ist nicht unbegründet: «Unsere Kunden sind im Schnitt 80 Jahre alt. Das heißt, das Geschäft hat ein Ablaufdatum. Früher haben wir gut verdient, da haben alle gut verdient.» Jetzt sei die Branche eher am Aussterben.

Zukunft oder Sci-Fi?

Große Hoffnungen an die Zukunft lässt auch Fritz Matula nicht aufkommen, der mit seiner Frau Ilse ein «Comics – Romane – Männermagazine»-Geschäft in der Tabor­straße betreibt. 1985 haben sie mit ­einem zwölf Quadratmeter kleinen Geschäft begonnen und sind nach mehreren Umwegen in der Taborstraße 28 gelandet. «Die Geschäfte gehen schlechter als früher, auch die Comics ­haben nachgelassen», sagt Matula. «Bei den Neuerscheinungen müsste man viel investieren und es wäre ein großer Aufwand.» Der wird von den «echten» Comic-Händler:innen getrieben, etwa vom Hutterer oder vom Runch, die auf ein großes Sortiment ausgerichtet sind und sich ein Stammpublikum erarbeitet haben. «Die kann man nicht mit uns vergleichen», sagt Fritz ­Matula. «Bei uns kann man stöbern und tauschen», betont er: Tauschen, wie es früher, in den Hochzeiten der Romanshops, üblich war. Eine:n eventuelle:n Nachfolger:in gibt es auch für das Romangeschäft in der Taborstraße nicht. «Was soll man machen?!», fragt sich Fritz Matula.
Obwohl es unter den Freund:innen der Lite­ratur ohne Buchdeckel viele Sammler:innen gibt, haben die Hefte so gut wie keinen «Sammler-Wert», von einigen signierten Erstausgaben und Ähnlichem abgesehen. «Natürlich kann es sein, dass sich ein Liebhaber findet, der beispielsweise eine gut erhaltene Serie komplett kauft», sagt Herbert Fuhs, der mit seinem Sohn Thomas in der Simmeringer Hauptstraße 34 ein «Antiquariat – Romantausch»-Geschäft betreibt. Aber das sei eher die Ausnahme, und nicht die Regel. Nach der Lektüre wird ein Romanheft automatisch zu Altpapier, so es nicht in einer Tauschzentrale landet, über einen öffentlichen Bücherschrank herumgereicht wird oder im Regal eines:r Sammler:in strandet, ohne eine Wertanlage zu sein. Immer mehr Leser:innen greifen außerdem zu den eBook-Versionen von Heftromanserien – die am Secondhand-Markt wertlos sind, weil sie nicht gehandelt werden können.
Im Gegensatz dazu «echte Ware zum Stöbern», sagt Fuhs und deutet auf ein Regal, in dem sich Arzt-Serien stapeln, gleich neben Western und Science-Fiction. Letztere sind es auch, «die immer gut gehen. Und natürlich alles mit Ärzten und Doktoren.» Getauscht wird von Stammkund:innen, die sich mit Lektüre bevorraten – und das seien nicht nur Menschen, die sich derzeit keine teuren Bücher leisten könnten, sondern einfach nur Fans einer bestimmten Serie. Bei den Romanheften schlägt eher das ältere Publikum zu: «Ich habe Stammkunden aus dem Burgenland oder Salzburg, die einmal im Jahr mit 500 Heften zum Eintauschen kommen. Das liegt daran, dass es am Land keine Tauschzentralen mehr gibt. Die holen sich dann bei mir ihren Jahresbedarf.»
Herbert und Thomas Fuhs sind seit dem Jahr 2016 in Simmering aktiv. Der Vorgänger wollte in Pension gehen und gab das Geschäft weiter. Das Sortiment ist ein wenig breiter aufgestellt als notwendig: «Neben dem klassischen Romantausch von Berg-, Liebes- und Heimatromanen, Western und Kriminalromanen, Horror, Fantasy und Science-Fiction ­haben wir auch Spiele, DVDs und Taschenbücher», sagt Herbert Fuhs. «Die Leute freuen sich, dass es den Tausch noch gibt – und auch, dass es im 11. Bezirk noch möglich ist.» Von einem Tauschgeschäft am Reumannplatz, das einer älteren Dame gehörte und vor etwa fünf Jahren geschlossen wurde, «haben wir ­quasi die Kundschaft geerbt». Sorgen um die Zukunft macht sich Herbert Fuhs nicht: Sein Geschäft ist breit aufgestellt. Und sollte es einmal keine Romanheftln mehr geben, bleibt ihm immer noch das gute alte Buch.