Wie die Wiener Linien Barrierefreiheit verstehen
«Die Wiener Linien betreiben eine Vielzahl barrierefreier WC-Anlagen. Viele davon sind versperrt oder verdreckt», ist im Webportal bizeps.or.at vom «Behindertenberatungszentrum – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben» zu lesen. BIZEPS autorisierte den Augustin, ihre Beiträge über barrierefreie Toiletteanlagen der Wiener Linien zusammenzufassen und stellte Fotos zur Verfügung.
Foto: bizeps.or.at
Die Wiener Linien waren nie darüber glücklich, dass sie Toiletten im U-Bahn-Bereich betreiben müssen. Dementsprechend sind diese Anlagen teilweise völlig heruntergekommen.
Verschärft wurde die Situation mit der Dezentralisierungsnovelle Anfang 2014. Um das Budget der Bezirke zu entlasten, wurden die WCs im U-Bahn-Bereich den Wiener Linien übertragen.
Der städtische Verkehrsbetrieb war darüber sehr verärgert, weil es nur eine teilweise Entschädigung für diesen Mehraufwand gab. Man drohte mit der Sperrung der WCs. Alternativ wurde auch über kostenpflichtige WCs nachgedacht.
«Trotz unserer Bemühungen, möglichst viele der vorhandenen Anlagen auch weiterhin zu betreiben und an den heutigen Standard anzupassen, sind wir auch dazu verpflichtet, wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht außer Acht zu lassen», schrieb etwa der Geschäftsführer für den betrieblichen Bereich der Wiener Linien, Eduard Winter, am 13. August 2014 an die Wiener Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen. Die Wiener Linien – so Geschäftsführer Winter – seien aber an der Sache dran: «Derzeit sind wir damit beschäftigt, ein zukunftsfähiges Konzept für das weitere Betreiben der Anlagen zu erstellen. Dieser Aufgabe liegen die Empfehlungen des Kontrollamtsberichtes sowie die Vorleistungen der Magistratsabteilung 48 zu Grunde. Die Ergebnisse sollten noch dieses Jahr vorliegen.»
Im März 2015 kündigte Eduard Winter dann, dass «an der Erstellung von Richtmaßen für die Häufigkeit von WC-Anlagen im Netz der Wiener U-Bahnen» gearbeitet werde. Das für Ende 2014 angekündigte Konzept liegt also noch immer nicht vor, obwohl wir nun schon April 2015 haben. Weiters gibt es Befürchtungen, dass die Wiener Linien WCs einfach außer Betrieb nehmen werden.
(zwiti) Heimliche Standorte
Relativ schnell wurden die WCs, die nun zuständigkeitshalber bei den Wiener Linien angesiedelt sind, aus den Listen der Stadt Wien entfernt. Auch im Stadtplan wurden diese WCs herausgenommen.
Ein Verheimlichen der Standorte ist völlig unsinnig, weil es doch egal sein muss, ob die WCs der Stadt Wien gehören oder der im Besitz der Stadt Wien befindlichen Wiener Linien.
Die Wiener Linien haben bis jetzt nicht darauf reagiert und auf deren Homepage keine Bestandsliste aller von ihnen betriebenen WCs veröffentlicht. Eine diesbezüglich gestellte Anfrage von BIZEPS («Könnten Sie uns bitte eine aktuelle Liste mit U-Bahnstationen zusenden, die eine barrierefreie Toilette haben?») blieb bisher von den Wiener Linien unbeantwortet.
«Derzeit kann man nicht sicher sein, ob man die Toiletten in den U-Bahnstationen nutzen kann. Einige sind zugesperrt, andere in schlechtem Zustand», hält Christiane Link, Mobilitätsexpertin von BIZEPS fest und fährt fort, «das kann für behinderte und ältere Menschen zu einem ernsten Problem werden und ist so nicht hinnehmbar.» Den Erhebungen von BIZEPS zufolge seien bei Redaktionsschluss die Hälfte der barrierefreien Toiletteanlagen der U-Bahnlinien U3 und U6 abgesperrt gewesen. Davon abgesehen seien die offenen Toiletten teilweise in keinem guten Zustand. So ist bei einigen der Boden verdreckt gewesen, oder es fehlten Haltegriffe und Toilettenpapier, oder die Waschbecken waren nicht nutzbar.
Und eine bizeps.or.at-Leserin hielt dazu fest: «Leider trifft es nicht nur barrierefreie WC-Anlagen. Mein Mann hatte mich Anfang des Jahres gebeten zu eruieren, warum in der Station Kaisermühlen die Toilettenanlage geschlossen wurde. Nach Anfrage war zu erfahren: ‹… weil z. B. wie in der Station Kaisermühlen die Anlagen von Menschen missbräuchlich genutzt (Prostitution, Drogen …) werden.› Mein Mann hat Morbus Crohn, und Sie können sich vorstellen, wie wichtig eine geöffnete WC-Anlage für ihn ist. Übrigens – Imbiss-Stände gibt es am Vorplatz und in der Station eine Bäckerei. Also konsumieren dürfen wir, U-Bahn-Tickets zahlen auch, aber wo dürfen wir uns ‹erleichtern›?»
Info:
Der Verein BIZEPS betreibt eine Beratungsstelle für behinderte Menschen und deren Angehörige in Wien, die nach den Kriterien der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung organisiert ist und nach deren Wertvorstellungen arbeitet.
Telefonisch erreichbar von Montag bis Donnerstag von 10 bis 15 Uhr und Freitag von 10 bis 13 Uhr: (01) 523 89 21
Per E-Mail: office@bizeps.or.at