Abschied von Sylvanustun & lassen

Sylvanus ist tot, ein ganz gewöhnlicher Todesfall. Kein spektakulärer Mord wie bei Marcus Omofuma, der vor 22 Jahren bei seiner Abschiebung von österreichischen Polizisten erstickt wurde. Sylvanus wurde auch nicht von Polizisten seines Heimatlandes Nigeria getötet. Er starb infolge einer Krankheit im Kreise seiner Familie. Sylvanus litt unter einer chronischen Krankheit. Hätte Sylvanus in Österreich noch leben können? Fragen, Spekulationen, alles formuliert im Konjunktiv. Ist Sylvanus hier in Österreich fair behandelt worden? Die österreichischen Behörden sehen das so. Ich kann sie förmlich hören, die Stimmen der Behördenvertreter_innen, Gesetzgeber_innen und all jener, die ihrer Logik folgen: «Es kann doch nicht jeder hier bleiben.» «Wir sind nicht das Sozialamt der Welt.» «Recht muss Recht bleiben.» Sylvanus war rund 15 Jahre in Österreich, über all die Jahre hat er den Augustin regelmäßig am Nestroyplatz verkauft. Er war kein Kind, kein Schüler, kein Lehrling, für den sich irgendeine Partei einsetzen mochte. Er war nicht einmal besonders beliebt, wenig kommunikativ, ruhig, zurückhaltend, ein Einzelgänger, dessen distanziertes Verhalten manchmal den Eindruck von Arroganz erweckte. Hatte er deswegen kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben? Als ich ihn vor dem Sommer 2019 in Schubhaft besuchte, wirkte er ruhig und zuversichtlich. Mit einem Lächeln auf den Lippen erklärte er mir, dass Gottes Wille geschehe, und er glaubte daran, dass Gott ihn einmal mehr aus der Schubhaft befreien würde. Er war schon öfters aus der Schubhaft entlassen worden, da mangels der Ausstellung von Papieren eine Abschiebung nicht durchführbar war. Diesmal irrte er: Im August 2019 wurde er abgeschoben. Warum inter­essiert es diejenigen, die Existenzen zerstören, nicht, wie die Zukunft von Menschen wie Sylvanus aussieht? Schlicht und einfach, weil sie sie nur als Fälle wahrnehmen, als Nummern, Zahlen, ein Bündel an Papieren zwischen zwei Aktendeckeln. Ich sah und sehe den Menschen Sylvanus, sein Gesicht, sein Lächeln.
R.I.P., Sylvanus

Andreas Hennefeld, Sozialarbeiter beim Augustin

Da die Familie die Kosten für das Begräbnis nicht tragen kann, freut sie sich über Spenden an das Augustin-Spendenkonto, Verwendungszweck: «Sylvanus»

Foto: privat