Abstinenz in der Parallelgesellschafttun & lassen

Der Kulturkampf des Josef Cap

Saufen oder fasten? Beides falsch. In der letzten Ausgabe ging es um ein Alkoholverbot vor Bahnhöfen, mit dem der SP-Bürgermeister halbherzig liebäugelt – obwohl sich Abstinenz in Wien historisch nie wirklich durchsetzen ließ. Diesmal geht Christian Bunke der Frage nach, wieso der SP-Abgeordnete Cap umgekehrt fürchtet, ein Alkoholverbot würde «uns» kulturell zur Strecke bringen.

Foto: Woman’s Christian Temperance Union

Frage: Kurz oder Strache – welcher der beiden Politiker geht derzeit in Wien mit den folgenden Parolen auf Stimmenfang? «Migration muss durch den Staat gesteuert werden, und zwar nach den Bedürfnissen der Menschen, die hier leben. Die Bildung von Parallelgesellschaften darf auch künftig nicht hingenommen werden. Der politische Islam hat bei uns keinen Platz. Österreich ist der Kern eines weltoffenen und liberalen Europas, und das muss so bleiben.»

Antwort: Keiner der beiden. Urheber dieser Wahlkampfslogans ist ein langjähriger Roter, nämlich der Hernalser SPÖ-Vorsitzende, stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ im Nationalrat und Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat Josef Cap.

Gebrüll aus der letzten Reihe.

Cap, von seiner Partei auf die hinteren Listenplätze verbannt, führt in den Bezirken Ottakring, Hernals, Währing und Döbling einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Und diesen führt er mit Blick nach rechts. Migrant_innen haben von Cap nichts zu erwarten. Sie spielen für ihn nur als Drohkulisse eine Rolle. So spricht Cap gerne und oft von 35 Millionen Menschen, die sich in Afrika «zu uns» auf den Weg machen. Deren Einwanderung gelte es zu verhindern. In einem Interview für «krone.at» kritisierte er die Einwanderungspolitik von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz. Der habe nicht genug getan, um die Flüchtlingsbewegung aufzuhalten.

Mitte Juni organisierte die SPÖ Hernals eine Diskussionsveranstaltung zum Thema «Alkoholverbot in türkischen Lokalen – Förderung von Parallelgesellschaften?» Anlass war die Entscheidung eines türkischen Lokals in Ottakring, keinen Alkohol mehr an die Gäste auszuschenken.

Die SPÖ-Hernals wollte darüber nachdenken, «wie wir die Herausbildung von Parallelgesellschaften in Wien verhindern». So steht es in einer an Medienleute verschickten Zusammenfassung der Veranstaltung. «Fördern zunehmende Alkoholverbote in migrantischen Lokalen den Aufbau einer ‹Wir-und-Ihr-Gesellschaft›?», sorgten sich die Genoss_innen weiter.

Kulturgut Alkohol & Frauen.

Es geht hier übrigens nicht um «Alkoholverbote». Ein Alkoholverbot gibt es neben einem Bettel- und Musizierverbot zum Beispiel in der Wiener U-Bahn. So ist es in der auf wienerlinien.at veröffentlichten Hausordnung nachzulesen. Wenn aber ein Lokal sich entschließt, keinen Alkohol auszuschenken, handelt es sich eher um eine Geschäftsentscheidung. Private Betreiber_innen entscheiden, welcher Klientel sie was anbieten möchten: Fleisch oder lieber Tofu, Alkohol oder lieber Tee.

Doch für Josef Cap geht es um einen Kulturkampf. Weitere Zitate aus der Hernalser Veranstaltung: In manchen deutschen Städten, ein Beispiel sei der Bezirk Neukölln in Berlin, gebe es schon fest etablierte Parallelgesellschaften, diese gelte es zu verhindern, und falsch verstandene Toleranz sei fehl am Platz! In einer zweiten Wortmeldung wandte sich Abgeordneter Cap gegen einen «Hegemonialanspruch» von Zuwanderer_innen. Es seien die Probleme etwa in Afrika nicht durch eine Massenzuwanderung nach Europa lösbar! Für Josef Cap gibt es auch eine direkte Verbindung zwischen Alkoholausschank in Lokalen und dem Kampf für die Frauenbefreiung: Man müsse «mutig einen kontroversiellen Dialog führen, mit dem klaren Ziel, unsere Werte und unsere Frauenrechte in den Vordergrund zu stellen».

Saudisch-österreichische Fluchtursachen.

Apropos Fluchtursachen. Die österreichische Rüstungsindustrie verdient Millionenbeträge durch Waffenverkäufe an Saudi-Arabien. Allein zwischen 2008 und 2013 verdiente die heimische Rüstungsbranche rund 18 Millionen Euro. Neben eigenen kriegerischen Abenteuern zum Beispiel im Jemen verteilt das sunnitisch-islamistische Regime genau solche Waffen auch an diverse dschihadistische Gruppierungen, die damit weiter für Krieg, Terror, Vertreibung und somit Fluchtursachen sorgen können.

Vielleicht hat Josef Cap darüber am 10. Juli mit dem saudischen Kultur- und Informationsminister Awwad Bin Saleh Al-Awwad gesprochen. Mit diesem hat er sich in seiner Eigenschaft als Obmann des außenpolitischen Ausschusses zu einem «Gedankenaustausch» getroffen. Doch leider sind Informationen über das Gespräch nicht zu bekommen. Solcherlei Treffen seien vertrauliche Angelegenheiten, hieß es auf Nachfrage beim Büro Cap. Es gebe weder für die Öffentlichkeit zugängliche Tagesordnungen noch Protokolle.

Ob Cap mit dem saudischen Minister über «migrantische Hegemonialbestrebungen» gesprochen hat oder lieber doch über Frauenrechte in Saudi-Arabien, wir werden es nicht erfahren. Bleibt nur die Frage, wann Cap das Ende des Alkoholverbots in den Öffis fordert.

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