Acht gute Gründe, die Sozialhilfe zu reformierentun & lassen

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Immer mehr Menschen fallen in die Sozialhilfe. Die Gründe: zunehmende Zahl an Jobs, die so gering entlohnt sind, dass davon unmöglich eine Familie leben kann, gestiegene Lebenshaltungskosten bei Wohnen und Energie, nicht Existenz sichernde Arbeitslosen- und Notstandshilfeleistungen, nicht ausreichende Pensionen und generell das Auseinanderdriften der Einkommen zwischen oben und unten.

Seit Jahren liegen die Alternativen am Tisch. Es gibt mindestens acht gute Gründe, die Sozialhilfe in eine bürgerfreundliche, transparente Sozialleistung umzuwandeln, welche Existenzsicherung garantiert und für alle gilt:

  1. Falsche Anreizstrukturen in der Finanzierung: Die finanziell ärmsten Gemeinden haben die höchsten Kosten, weil sie am meisten Arme haben.
  2.  Die Sozialhilfe wurde eigentlich nur als Instrument zur Überbrückung außergewöhnlicher Notlagen konstruiert. Von daher ist sie gar nicht geeignet, regelmäßig wiederkehrende und massenhaft auftretende soziale Risikolagen wie Arbeitslosigkeit, Billigjobs oder Altersarmut aufzufangen. Das wird sie völlig überfordern.
  3. Mangelnde Rechtsicherheit: Es gibt weder einen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistungsart noch in der Regel einen Bescheid. Die Sozialhilfe baut auf Gnadenrecht und Almosen statt einer modernen Orientierung an sozialen Grundrechten.
  4. Undurchsichtige Richtsatzhöhen: Eine wissenschaftlich fundierte Festlegung der Höhe von Richtsätzen, etwa ein Warenkorb, fehlt. Bedürftigkeitsgrenzen basieren auf mehr oder weniger willkürlichen Annahmen. Hilfesuchende sind je nach Bundesland unterschiedlich viel »wert«: Die Differenzen gehen bis zu 132 Euro.
  5. Armutsfalle Regress: Rückforderung der Sozialhilfe bei Aufnahme von Arbeit ist ein falscher Anreiz und integrationsfeindlich.
  6. Mangelnde Krankenversicherung: Zehntausende bekommen Behandlung über »Krankenhilfe«, was sie z. B. von der E-Card ausschließt. Der Zugang zu medizinischen Leistungen sollte für alle vereinfacht werden; besonders für Einkommensschwache, deren Krankheitsrisiko doppelt so hoch, die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten aber niedriger ist als in der Durchschnittsbevölkerung.
  7. Beschämende Bedarfsprüfungen und hohe Nichtinanspruchnahme: Besonders in den ländlichen Regionen hohe Nichtanspruchnahme aus Scham. Viele suchen zu spät Hilfestellen auf.
  8. Keine Anrechnung von Pensionszeiten.

Statt die Mängel zu beheben, gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen. Für die Länder ist die Regierung schuld, für die Regierung ist die Stadt Wien schuld, und die Gemeinden wollen gleich das Wohngeld für die Betroffenen kürzen. Dabei könnte jeder etwas Sinnvolles tun. Die Gemeinden könnten mehr niederschwellige Projekte für Ärmere initiieren, die Länder selbstkritischer die Mängel der Sozialhilfe wahrnehmen, der Bund die Arbeitslosenleistungen armutsfest gestalten und dem Abrutschen in die Sozialhilfe entgegentreten.

Die Verbesserungsvorschläge liegen seit geraumer Zeit auf dem Tisch. Wenn der politische Wille da wäre, könnte Armut massiv reduziert werden.

Martin Schenk

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