Achtung! Keine Satiretun & lassen

Hundert Stunden Polizeiarrest wegen Füße-Ausstreckens

Beine.jpgHerbert S., Chefinspektor, ist bekannt für seine allgemein verständlichen und durchaus eloquent formulierten Sachverhaltsdarstellungen. Er ist einer der PolizistInnen, die in wessen Auftrag eigentlich? das Bettlerunwesen in der Mariahilfer Straße einzudämmen haben: eine Sisyphos-Arbeit. Als Instrumentarium dafür stehen ihm z. B. das Landesicherheitsgesetz und die Straßenverkehrsordnung zur Verfügung.

Sachverhaltsdarstellungen nach Anzeigen gegen Unerwünschte zählen zu den Routinetexten im Polizeileben. Weil solche Anzeigen auch für die Betroffenen zur Routine geworden sind, machen sie kein Aufhebens davon. Manche zerreißen sie, und irgendwann werden sie aufgegriffen und sitzen die Strafe in der Liesl (Wiens Polizeigefängnis an der Rossauer Lände) ab. Weil Anzeigen und Strafverfügungen quasi in den Alltag der Straßenmenschen integriert sind, kommen die wenigsten auf die Idee, die Augustin-Redaktion zu verständigen oder die Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Dabei können solche Dokumente aus staatsbürgerkundlicher Sicht lehrreich und aus literarischer Sicht amüsant sein, wie der folgende Bericht des Chefinspektors zeigt:

Im Zuge meines Rayonsdienstes beobachtete ich den Angezeigten H. auf dem Fenstergesims der BAWAG-Filiale in Wien 6, Mariahilfer Straße 89A, sitzend. Seine Beine hatte er, ca. 1 Meter quer auf den Gehsteig ragend, ausgestreckt. Die Arme ausgestreckt und die Hände übereinander gelegt bettelte er vorbeigehende Passanten unverkennbar an. Eine ca. 10 cm im Durchmesser große Schale stand in etwa 1,5 Meter von der Hauswand entfernt auf dem Gehsteig. Darin befand sich Münzkleingeld. Durch das Verhalten des H. waren die Passanten, zu diesem Zeitpunkt (15. Oktober 2008, 12.50 Uhr die Red.) herrschte reger Fußgängerverkehr, an der ordnungsgemäßen Benützung des Gehsteiges gehindert. Passanten mussten ausweichen, um nicht über die ausgestreckten Beine des Angezeigten zu stolpern. Nach einiger Zeit der Beobachtung wurde H. auf die von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen angesprochen (…).

H. wird zur Anzeige gebracht, weil er an einem öffentlichen Ort in aufdringlicher Weise gebettelt hat. Durch das Sitzen und die auf den Gehsteig ragenden Beine war der Fußgängerverkehr im Ortsgebiet in erheblicher Weise behindert, Benützer mussten ausweichen, um nicht über die Beine zu stolpern. Auch die auf dem Gehsteig aufgestellte Geldschale stellte ein Hindernis für den Fußgängerverkehr dar. Weiters wurde die Straße der Gehsteig ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benutzt.

Auf Verlangen wurde die Dienstnummer ausgefolgt.

Herr H. hatte mit diesem Verhalten, so folgerte der Beamte S., drei Delikte begangen: Aufdringliche Bettelei gemäß § 2/1 WLSG, Vorschriftswidriges Verhalten auf Gehsteigen im Ortsgebiet gemäß § 78/c StVO und Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken ohne Bewilligung gemäß § 81/1 StVO. Herr H. wurde aufgefordert, eine Strafe in der Höhe von 200 Euro oder falls diese uneinbringlich sei eine Ersatzarreststrafe von 100 Stunden anzutreten.

Unsichtbar macht sich das Verbrechen, indem es große Ausmaße annimmt, schrieb Bertolt Brecht. Keine aufdringliche Bettelei liegt demnach vor, wenn Bankmanager ihre Bank pleite gemacht haben und nun Staatshilfe erpressen, um die gewohnten Gehälter der Chefitäten zu sichern und die Anstrengungen zu finanzieren, die nach dem Aus des Bankgeheimnisses nötig sind, um den Steuerbetrug zu vertuschen.