Achtung: Romantik pur!vorstadt

Ein Märchenwald gleich vor der Haustüre

Die Region Lednice-Valtice ist eine in das UNESCO-Welterbe eingetragene Natur- und Kulturlandschaft gleich hinter der nördlichen Landesgrenze zur Tschechischen Republik. Ein kleines Stück vom Paradies, nur wissen das die Wenigsten, auch Mario Lang zählte zu den Unwissenden und traute seinen Augen nicht.Eine kleine Auszeit sollte es werden, ein Tapetenwechsel über ein verlängertes Wochenende. Schnell zu erreichen, eine andere Sprache sollte gesprochen werden, um nicht alles verstehen zu müssen, und möglichst ruhig sollte es sein.

Der Blick auf die Landkarte blieb auf Lednice hängen. Einer kleinen Gemeinde in Südmähren unweit der Grenzstadt Břeclav (Ludenburg), nördlich von Bernhardsthal. Nur eine gute Stunde von Wien entfernt, mit dem Regionalzug über Břeclav gemütlich zu erreichen. Das Rad wurde gefaltet, die Erwartungshaltungen zu Hause gelassen.

Die Geschichte der Region um Lednice (Eisgrub) und Valtice (Feldsberg) ist eng mit der Geschichte des Hauses Lichtenstein verbunden. Die Ausgangspunkte dieses Landschaftsgartens sind die jeweiligen Schlösser. Das Schloss Lednice würde sich bestens als Vorlage für jede «Die Schöne und das Biest»-Schmonzette eignen. Für Menschen mit verkümmertem Kitsch-Gen empfiehlt sich dagegen der wildromantische, von der Thaya begrenzte Schlossgarten mit seinen verschlungenen Kanälen, Spazierwegen und Kuriositäten. Die Lichtensteiner mit ihren extravaganten Vorlieben ließen sich anstatt einer Burg gleich eine Burgruine (Johannesburg/Janův hrad) in die Landschaft stellen. Ebenso ziert ein Minarett im maurischen Stil als Aussichtturm die Parklandschaft. Für Bewegungsverweigerer_innen schippern kleine Boote durch die engen Kanäle.

Doch das wahre Herzstück befindet sich zwischen den beiden Schlössern. Vier miteinander verbundene Fischteiche und eine Art verwunschener Auwald. Die Lednicer Fischgründe zählen zu einem der wichtigsten Vogelreservate Tschechiens. Den Kopf in den Nacken, die Nase in die Höhe, die Reise der Zugvögel in V-Formationen von ihren Brutquartieren in Richtung Süden bietet eine beeindruckende Öko-Flugshow. Den Blick wieder auf Augenhöhe wartet auf den unvorbereiteten Radler nach jedem gefahrenen Kilometer, hinter jeder Waldlichtung eine Überraschung: Ein griechisch anmutender Tempel (Apollo-Tempel), Kolonnaden samt tanzenden Göttinnen (Drei Grazien), ein altes Gehöft, eine verwunschene Wald-Kapelle (St. Hubert) oder wie aus dem Nichts, mitten im Wald, ein Triumph-Bogen (Dianatempel/Rendezvous). Ein Ausflug durch den Märchenwald, hinter jeder Biegung könnte Dornröschen schlummern. Hinter dem Zauberwald führt der Weg durch Weingärten nach Valtice (Feldsberg) zum anderen Ende der Parklandschaft. Schloss inklusive.

Nahe dem Grenzübergang Schrattenberg thront auf einem Hügel die nach dem Muster der Schönbrunner Gloriette entstandene Reistenkolonnade mit wunderbarem Blick auf Valtice und ausgedehnte Weinfelder. Apropos Wein, auf keinen Fall einen Kellerbesuch auslassen, die südmährischen Tropfen sind weit besser als ihr Ruf und der Veltlínské zelené (Grüner Veltliner) oder Ryzlink vlašský (Welschriesling) brauchen den Weinbeißer-Gaumenvergleich mit der hiesigen Konkurrenz nicht zu scheuen.

Bei aller Verträumtheit holt ein Blick in die Vergangenheit den Besucher zurück auf den Boden der Tatsachen. Nur wenige Kilometer von der vermeintlichen Naturoase entfernt trennte noch vor weniger als 30 Jahren der Eiserne Vorhang zwei Welten und degradierte sowohl das Weinviertel als auch das Gebiet um Lednice-Valtice zu Sackgassen. Heute dient die Grenzstation als Museum, doch der vergangen geglaubte Wahnsinn wird aktuell anderenorts wieder zur traurigen Realität.

Ein Besuch beim nördlichen Nachbar geht zu Ende und die Bundesbahn führt schließlich zurück in den gewohnten Tagesablauf.

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