Adieu, Ute Bock!tun & lassen

Die Flüchtlingshelferin verstarb am 19. Jänner

«I mog sie schon, sonst wär i net do. I mog a die Gfraster», sagte Ute Bock vor fast 20 Jahren in einem Feature der Ö1-Journalistin Cornelia Krebs.«Sie», das waren zunächst vorwiegend junge österreichische Männer, die die Jahre zwischen Kinderheim und eigener Wohnung im Gesellenheim in der Zohmanngasse 28 verbracht haben. Anfang der 1990er-Jahre fanden hier im 10. Bezirk auch vermehrt Kriegsflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens Unterschlupf und ab Mitte der 1990er-Jahre wurde das Haus zur Anlaufstelle für geflüchtete junge Männer aus den Ländern Afrikas. Bock, die die Einrichtung von 1976 an leitete, unterschied nicht. Wer Hilfe brauchte, bekam sie auch. Und wer zu Ute Bock kam, der hatte sie in der Regel bitter nötig. Das Zohmanngassenheim galt als letzter Zufluchtsort für diejenigen, die nirgendwo mehr unterkamen.

Im September 1999, unmittelbar vor den anstehenden Wahlen zum österreichischen Nationalrat, nahm die Polizei im Zuge der sogenannten «Operation Spring» rund 30 afrikanische Jugendliche unter dem Vorwurf schwerer Drogendelikte in der Zohmanngasse fest. Fast alle wurden auf höchst zweifelhafter Grundlage zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dem beispiellosen Justizskandal war eine ebensolche Sudelkampagne der Kronen Zeitung vorangegangen. Der damalige Innenminister Karl Schlögl folgte gehorsamst. Er sitzt heute wieder gemütlich im Bürgermeistersessel von Purkersdorf.

Ute Bock selbst wurde wegen Bandenbildung und Drogenhandel angezeigt. Von den Vorwürfen blieb freilich nichts übrig. Zu einer zeitweisen Suspendierung durch die Stadt Wien reichten sie dagegen allemal. Nach deren Aufhebung durfte Bock zwar wieder ihrer Arbeit nachgehen, allerdings unter der Auflage, künftig keine Flüchtlinge afrikanischer Herkunft in der Zohmanngasse aufzunehmen.

Nach ihrer Pensionierung im Jahr 2000 verlegte die 1942 in Linz geborene ihr Engagement auf ehrenamtliches Terrain. Der 2002 gegründete und von einer Vielzahl privater Spender_innen und ehrenamtlich Tätiger getragene Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock versorgte bald mehrere hundert Flüchtlinge in privat angemieteten Wohnungen. Vier Jahre später eröffnete man im Karmeliterviertel im 2. Bezirk ein Beratungszentrum und im Jahr 2012 wurde das ehemalige Gesellenheim in der Zohmanngasse nach Renovierung und Umbau schließlich als Ute-Bock-Heim seiner Bestimmung übergeben. Hier und in über 60 Mietwohnungen beherbergte man bis zuletzt über 300 Personen, die andernfalls auf der Straße gestanden wären. Weiteren 700 obdachlosen Asylwerber_innen wurde über das Meldeservice des Vereins die dringend notwendige Behördenkommunikation ermöglicht.

Danach gefragt, was denn passieren würde, wenn es sie einmal nicht mehr gäbe, antwortete Bock in einem Interview, das Florian Müller 2011 für den Augustin aufgeschrieben hat: «Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass das vorher so ist, dass es nicht mehr notwendig ist. Das ist eigentlich das Ziel. Ich hätte gerne, dass hier eines Tages die Polizei herein kommt und sagt: Was machen Sie da? Es kommt ja eh schon seit zwei Jahren niemand mehr her.» Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. In den frühen Morgenstunden des 19. Jänner ist Ute Bock in «ihrem» Haus in der Zohmanngasse nach kurzer, schwerer Krankheit im 76. Lebensjahr verstorben.

Für den 2. Februar ruft der Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock zum «Lichtermeer für Ute Bock» auf. Start ist um 17 Uhr am Heldenplatz.

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