Traude Lehner 1955–2022
Am Freitag, dem 28. Jänner starb Traude Lehner an einer Tumorerkrankung. Beim Augustin war sie so etwas wie eine Multifunktionärin – Verkäuferin, Mitglied der Theatergruppe, Autorin (KulturPASSage), Aktivistin in sozialen Belangen. «Es gibt keine sozial Schwachen, sondern finanziell Schwache», korrigierte Traude Lehner, wenn von Armen die Rede war und diese eben als «sozial schwach» bezeichnet wurden. Das hieße jenen, denen es an Geld mangelt, fehlende gesellschaftliche Kompetenz zu unterstellen. Mit Worten nahm es Traude genau, sich mit Sprechen und Sprache auszudrücken, war ihres. Kein Zufall, dass sie beim Augustin zuerst bei der Schreibwerkstatt andockte und ein paar Jahre später Mitglied des 11% K.Theaters wurde. Schauspielerin war eigentlich Traudes Traumberuf gewesen. Sie wollte sich als Schülerin am Max Reinhardt Seminar bewerben. «Meine Lehrer haben das auch befürwortet. Nur meine Mutter war dagegen. Und dann habe ich sehr, sehr lang warten müssen, bis ich endlich Theater spielen hab dürfen. Und jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich bei der Theatergruppe bin», erzählte Traude in einem Interview für ein Augustinerin-Porträt (in Ausgabe 405). Durch das Augustin-Theater kam Traude auch mit ihrem späteren Ehemann Rudi zusammen. Im Stück Würschtl 08 spielten die beiden ein Ehepaar und waren bald auch im wirklichen Leben zusammen. Im Jänner 2009 haben die beiden geheiratet. In rund einem Dutzend Theaterstücken standen sie mit ihren Kolleg_innen des 11% K.Theaters auf unterschiedlichen Bühnen. Aktuell wurde Jura Soyfers Astoria geprobt, die Premiere soll im Nestroyhof / Hamakom stattfinden. «Dass Traude durch ihren Tod eine Lücke hinterlässt, ist eine Untertreibung», meint Andreas Hennefeld, Sozialarbeiter und Leiter des Augustin-Theaterprojekts. «Über viele Jahre ist sie verlässlich überall dabei gewesen, nicht nur bei Proben und Aufführungen, sondern auch bei allen Aktionen im öffentlichen Raum, auch bei F13.»
Politisch war Traude enorm engagiert; bei der KPÖ, aber auch bei der österreichischen Armutskonferenz. Im Augustin berichtete sie regelmäßig von deren Tagungen. Sie setzte sich vor allem für Verbesserungen bei der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe ein. Dass Traude trotz langer Jahre im Gastgewerbe keinen Anspruch auf eine Pension hatte, lag daran, dass ihre Arbeit meist nicht angemeldet war. 20 Jahre lang hat sie übrigens in Südtirol gelebt und gearbeitet, dann verlor sie den Job und die Wohnung und beschloss, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Sie erinnerte sich: «Ich bin mit einer großen Reisetasche nach Wien gekommen, das war alles, was mir übrig geblieben ist von den 20 Jahren.»
Foto: Mario Lang
Traude Lehner als Schreibende
Auszug aus «Wir Unvermittelbaren»
(…) Jetzt möchte ich noch auf die Menschen zu sprechen kommen, die in Obdachlosenheimen wohnen. Da ich selbst fast zweieinhalb Jahre in solchen Institutionen zugebracht habe, weiß ich, wovon ich rede. (…) 18 nicht ganz 6 Quadratmeter große Zimmer sowie ein Gemeinschaftsbad mit Toiletten, ein Aufenthaltsraum und eine Gemeinschaftsküche (…) Privatsphäre hat man keine, die Stresssituation ist enorm und man fühlt sich nicht imstande, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Doch wenn man nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen kann, entrinnt man der Armut nicht. (…)
Zum Glück gibt es aber auch Institutionen wie die Straßenzeitung Augustin, die solchen Menschen eine Chance bietet, egal ob als Verkäufer_in der Zeitung, Fußballspieler oder Mitglieder der Schreibwerkstatt, der Theatergruppe oder des Stimmgewitter-Chors. Dadurch bekommt man sein Selbstwertgefühl wieder zurück und kommt sich nicht mehr nutzlos vor.
Augustin Nr. 229, Juni 2008
Häf’n!?
Wozu brauchen wir Gefängnisse?
Um straffällig Gewordene zu resozialisieren? Nein, denn viele beginnen ihre «Karierre» erst, nachdem sie wegen einem geringfügigen Delikt eine kurze Haftstrafe abgesessen haben, wo sie von Mitgefangenen wertvolle Tipps erhielten, wie sie es beim nächsten Mal besser machen können.
Oder um Gewaltbereitschaft einzudämmen?
Falsch, auch diese wird im Häf’n noch erhöht. Vielleicht den Drogen für immer abzuschwören? Im Gegenteil, denn ein richtiger Junkie weiß auch an diesem Ort, wie und wo er seinen Stoff erhält.
Werden psychisch Kranke therapiert?
Keinesfalls, sie werden niedergespritzt und mit Psychopharmaka ruhiggestellt.
Wozu sind also Gefängnisse dann gut?
Um Gerichtsmedizinern, Richtern, Staatsanwälten und Winkeladvokaten ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.
Aus diesem Grund sage ich:
Schafft endlich diese inhumanen Anstalten ab!
Augustin Nr. 251, April 2009