Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (Jänner 2022)
Hüseyin ist seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr in der alten Heimat gewesen. Er hat Angst, dass er die Eltern nicht mehr sehen könnte. Nur, wenn eines der Geschwister bei ihnen zu Besuch ist, dann kann er sie über Videotelefonie sehen. Es macht den Hüseyin im Nachhinein traurig. Alle sind zwei Jahre älter geworden. Neffen und Nichten sind gewachsen. Manche gehen in den Kindergarten und manche in die Schule und in höhere Schulen. Hüseyin hat um die sechzehn Neffen und Nichten. Einige Nichten haben selbst Kinder. Nach diesen Telefonaten schaut er sich im Spiegel an und merkt, dass er selbst alt geworden ist. Die Pensionszeit kommt bald. Das Funkeln und die Lebensfreude in den Augen ist erloschen. Die Augenbrauen sind der Iris nahe gerutscht, sodass im Blickfeld immer Haare der Brauen sind. Die Sehkraft lässt nach. Gerade in einer Zeit, wo er nur die Augen der Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln sieht, weiß er nicht, ob er die Leute kennt oder nicht. Die Haare hat Hüseyin längst verloren. Wasserkosten usw. spart er. Aber Tratsch und Erlebnisse im Friseurladen sind ihm dadurch abhanden gekommen. Er ist selbst sein Friseur geworden. Mit der Rasierklinge rasiert er sich eine Vollglatze. Mit sich selber redet er nicht. Nur sich anschauen und den Kopf schütteln tut er.
Er trifft öfters seinen Freund Josef im ersten Bezirk. Da Josef nur Gäste hat, die Österreicher_innen sind, wurde aus seinem türkischen Namen ein Josef. Hüseyin und Josef treffen sich fast täglich. Josef fährt ab Ende März bis Dezember seit Jahren immer in sein kurdische Dorf in der Türkei. Das alte Dorf Josefs wurde durch den Bau eines Staudamms überschwemmt. In der Nähe des Staudamms haben sie eine neue Siedlung aufgebaut. Josef hat sehr viele Obstbäume dort gepflanzt. Unter seinen Geschwister ist der Josef der Einzige, der so oft hinfährt und so lange im Dorf bleibt. Öfters sprechen die Freunde über die lange Reise durch die kurdischen Städte in der Türkei. Hüseyin versucht auch den Josef zu überreden, dass er einmal mit ihm nach Kreta fährt, das lehnt er immer ab.
Hüseyin weiß nicht, wann er wieder in seine alte Heimat kommt, um den Josef auch in seinem neuen Paradies zu besuchen.
Bleiben Sie gesund!
Ihr Hüseyin