Lokalmatador
Norbert Brezina ist ein Pädagoge, von dem wir auch auf dem Wasser etwas lernen können.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Lautlos gleitet unser Kanu durch das trübgrüne Gewässer, das früher Teil der Schwarzen Lacke war. Nur das Eintauchen der Paddel ist zu hören. Und von ganz weit her ein Hämmern aus dem Strebersdorfer Industriegebiet. Norbert Březina steuert das Schlauchboot mit jedem Paddelschlag, korrigiert damit auch den Enthusiasmus seines anfangs recht unbedarften Mitfahrers.
Mit dem Buffalo-Bill-Hut auf seinem Kopf schützt sich Březina gegen die flott höher steigende Sonne. Mit dem Hatschek auf dem r seines Familiennamens zeigt er an, «dass meine Vorfahren in Wien erfolgreich integriert wurden».
Gastfreundschaft.
Der Fotograf im Beiboot und der Schreiber dieser Zeilen sind heute seine Gäste. Auf diese Feststellung legen wir alle drei großen Wert. Denn ein Entscheid der Marchfeldkanal-Betriebsgesellschaft untersagt dem einzigen Kanu-Touren-Anbieter in Wien, Gruppen hier entlangzuführen.
Wir sehen vom Boot aus, wo sich der Biber frei nach Ernst Molden «sei neiche Hittn» baut, wie uns die Eltern einer achtköpfigen Schwanenfamilie nicht aus ihren Augen lassen, und wir hören, wie ein Rohrspatz im Schilf schimpft.
«Für mich ist das die beste Burn-out-Prävention», erklärt der Maschinenbau-Ingenieur, der seit vielen Jahren mit großer Leidenschaft in der nahe gelegenen Berufsschule für Spengler, Karosseriebau und Metalltechnik als Lehrer dient.
Seit zehn Jahren bietet Norbert Březina in seiner unterrichtsfreien Zeit Bootstouren durch die Korneuburger und die Stockerauer Au an, auch entlang der ungarischen Donau, und bis vor kurzem eben über den Marchfeldkanal.
Das richtige Eintauchen und Ziehen des Paddels, das Teamwork im Kanu, der neue, andere Blick vom Wasser auf die Natur, der notwendige Respektabstand vor den Brutplätzen – eine ganze Menge, die der Pädagoge seinen Gästen bei einem gemeinsamen Ausflug mit auf den Weg gibt.
«Es ist hier fast wie im Regenwald», schwärmt der 62-jährige Wiener, der in jungen Jahren bei Menschen entlang des Äquators selbst Gast war. «Mit dem entscheidenden Unterschied, dass es keine Malaria gibt und dass ihr auch mit dem Fahrrad oder öffentlich an- und abreisen könnt.»
Willkommenskultur.
Unter den Brücken der Nordwestbahn, der Prager, der Strebersdorfer, der Brünner und der Stammersdorfer Straße beeindruckt das stille Spiel des Schattens. Während oben der Stadtverkehr tost, verhallt hier unten das eigene Wort.
Die Einnahmen, die Norbert Březina mit Sunsplash-Canoeing erzielt, sollen in erster Linie seine Fixkosten decken. Reich werden will er damit nicht.
Seine Schüler_innen lehrt er im Rahmen des von ihm konzipierten Projekts «Wir sitzen alle im selben Boot» sehr kulant, aber nicht umsonst, wie viel weitergeht, wenn alle im Boot in die selbe Richtung ziehen. «Jene, die nur groß reden, zumeist auf Kosten anderer, verlieren dabei schnell an Ansehen.»
Integration ist für den Nachfahren Favoritner «Ziegelbehm» und Lehrer von «Jugendlichen, die bis zu 99 Prozent Migrationserfahrung» haben, keine hohle Phrase. «Es hat ja leider jede Ethnie», bedauert er, «Menschen mit teilweise abstrusen Vorurteilen.» Bei einer gemeinsamen Kanufahrt bekommen seine Schüler_innen «die Chance, die zuvor Fremden kennenzulernen und mit ihnen im Team zu arbeiten».
Vor dem Wehr nahe des Gerasdorfer Badeteichs warnt ein über den Kanal gespanntes Drahtseil mit einem rot-weiß-roten Schild: Wer hier nicht das Ufer ansteuert, begibt sich in Lebensgefahr. Aus der Wasserwalze gibt es de facto kein Entrinnen mehr.
Wer mit dem Buffalo Bill von Wien unterwegs ist, bleibt am Leben. Dank inzwischen eingeübter Armbewegungen landet unser Kanu sicher an einer dafür vorgesehenen Ausstiegsstelle.
Erfolgserlebnis.
Unterhalb des Wehrs die Zielgerade. Die Metallrohre, die über die Böschung zu den Feldern führen, errinnern an die eigentliche Funktion des Kanals: Wasserzufuhr für die Landwirtschaft, die im Marchfeld intensiv betrieben wird und damit über Jahrzehnte das Grundwasser tief absinken ließ.
Der Einklang zwischen Mensch und Natur ist hier ebenso ein schmaler Grat wie die unsichtbare Grenze zwischen Wien und Niederösterreich. Der Lehrer weiß das natürlich. Immer führt er in seinem Kanu einen schwarzen Müllsack mit, den seine Gäste und er mit achtlos weggeworfenen Plastikflaschen, Metalldosen und sonstigem Unrat befüllen.
Noch wenige Monate, dann fährt Norbert Březina in den Hafen der Pension ein. Er wird dann mehr Zeit für seine Kanus haben. Und er wird dann noch öfter Applaus bekommen.
Danke, Norbert! Auch uns hat der Tag mit dir großen Spaß gemacht!