Alles für die Katz‘?Dichter Innenteil

Foto: Rio Daro

Einen besonderen Platz am Bauernhof nehmen die Katzen ein. Warum einem Tier, das einem landwirtschaftlichen Betrieb wenig bis gar keinen Nutzen bringt, hier ein Forum geboten wird, dem geht der Katzenfreund Hans Bogenreiter nach.

Der Kabarettist Martin Puntigam meint, dass so manches «sehr lieb Gewonnenes» nach Nützlichkeitskriterien ausgewählt wird, bei den Katzen fände er es durchaus konstruktiv, deren Produktion einzustellen: Sie bringen einem nicht die Zeitung, retten niemanden aus einer Lawine, tragen keinerlei Lasten, nicht einmal die Schnapsflasche, bewachen nicht Haus und Hof und sind dem Herrl oder dem Frauerl nicht hündisch ergeben, sondern handeln nach eigenem Willen. Ein Vorteil gegenüber den Hunden (eventuell deshalb bei uns selten gehalten) hat sich auch auf unserem Bauernhof ergeben: Katzen brachten mit ihren Pfoten fast nie Schmutz in die Stube. Auch ich finde Dirty Paws in Innenräumen nur in Form des eindringlichen Songs von Of Monsters And Men erträglich. Das bayrische «Urviech» Fredl Fesl wiederum beschwert sich in einer lustigen Moritat über das «Kotzengschroahr», das ihm in einer lauen Sommernacht den Schlaf raubt, weil ein paar läufige Katzen vor seinem Haus Besuch von Katern bekommen haben und das Miauen, laute Herumbalgen und Geknurre kein Ende nimmt. Ich kann es aufgrund einschlägiger Erinnerungen in meiner Jugendzeit gut nachvollziehen, aber deswegen gebe ich die Katzenliebe bestimmt nicht auf. Die lautstarke Rolligkeit sollte aber schon der Vergangenheit angehören, denn seit dem 1. April (!) 2016 wurde die gesetzliche Kastrationspflicht auch auf Katzen in bäuerlicher Haltung ausgeweitet. Die Fortpflanzung soll nun in Labors oder speziellen Zuchtanstalten vonstattengehen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich erfuhr, dass die Natur solchen Gesetzen einfach ein Schnippchen schlägt: Ein befreundetes Paar gab ihre Katze 2017 auf Sommerfrische nach Oberösterreich, und zurück in Wien brachte die Katze zwei entzückende Kätzchen zur Welt.

Das eingangs erwähnte Nützlichkeitsdenken habe ich übrigens in meinem damaligen Umfeld ebenfalls erlebt: Die paar Mäuse für täglich konsumierte Milch, das rechnet sich nicht – wobei ja Milch für Katzen ungesund ist, das wusste jedoch niemand, auch nicht die Katzen, denn sie drängten sich stets um die Schüssel mit der Kuhmilch. Auf unserem Hof war ich der einzige des männlichen Geschlechts, der mit Katzen spielte und damit wertvolle Zeit vertrödelte, die dann bei der Arbeit fehlte. Einmal waren aber alle auf unserem Hof mit den Katzen zufrieden: Im Troadkastn (Getreidespeicher, der bei uns im Obergeschoß eines Stadels eingebaut war und den ich wegen des angenehmen Aromas und der schönen Holzkonstruktion sehr angenehm empfand) hatte sich eine Mäuseschar über den Winter eingenistet, vom aufgeschütteten Saatgut ernährt und dieses mit Mäusekot angereichert. Ein großes Ärgernis für eine Bauernfamilie, das radikal sanktioniert wurde: ein Fest für unsere dorthin kommandierten Katzen und ein fatales Ende für diese Mäusekolonie. Aus und vorbei hieß es kurze Zeit auch für das Saatgut, weil das Raiffeisen-Lagerhaus im Verein mit den Saatgutkonzernen der Bauernschaft einredete, es wäre wegen solcher und anderer Unwägbarkeiten viel klüger, das Saatgut zu kaufen – die dadurch bedingte Einschränkung der bäuerlichen Selbstständigkeit fiel anfangs gar nicht auf.

 

So wunderbare Leckerli

Ein großer Tiernahrungskonzern führte vor vielen Jahren in den USA eine umfangreiche Untersuchung über die Ernährungs-gewohnheiten von Katzen durch. Es kam heraus, es dreht sich alles um die Maus: Sie ist nicht nur das bevorzugte Beutetier, sondern liefert auch die ausgewogenste und gesündeste Nahrung für die Katzen. Ergo wäre es naheliegend gewesen, Katzenfutter aus «geschlachteten» Mäusen zu produzieren. Doch dazu kam es nicht, da Umfragen ergaben, dass die Tierhalter_innen, dies ablehnen würden. Hier zeigt der in den Städten vereinsamte Homo sapiens große Empathie, die er andererseits ver-missen lässt: Leckerli von geschlachteten Hühnern, Rindern und Schweinen, die mit Soja, für dessen riesige Anbauflächen tropischer Regenwald gerodet wird, gefüttert wurden, dürfen den Gaumen von Katze und Hund erfreuen. Davon zeugen die Super-marktflure voller fleischlichen Genüsse für Tiere, was Tricky Dickys Skizzenblätter im Augustin (Nr. 472/2018) aufgriffen: Eine ältere Kundin eines Supermarktes erkundigt sich: «Sagen sie mal, guter Mann: Wo is’n hier die Unfairtrade-Abteilung?» – «So weit das Auge reicht, gnädige Frau.» Hagen Rether (ein Veganer auf YouTube) und Jeremy Rifkin (im Buch Imperium der Rinder) u. a. bringen dieses so verheerende Konsumverhalten auch treffend auf den Punkt. Außerdem erzeugt die Herstellung des Futters der fleischfressenden Hunde und Katzen laut einer Studie des US-Wissenschaftlers Gregory Okin allein in den USA jährlich 64 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid – das entspräche dem Ausstoß von 13,6 Millionen Autos.

 

Dosenfutter auf der Tenn‘

Als die Bäuerin vom Nachbarhof unsere Katze genüsslich zusammengerollt auf einem Sitzpolster neben dem Herd sah, bemerkte sie erstaunt: «Ja, was macht denn unsere Katze in eurer Küche?» Des Rätsels Lösung: Die Katze tauchte vor etlichen Jahren bei uns auf und fühlte sich gleich gut aufgenommen. Sie wurde oft gestreichelt (was sie mit Schnurren dankte) und sie durfte sich in der Küche aufhalten, was sie in den kalten Jahreszeiten besonders genoss. Ergo: für sie ein geeignetes Umfeld, hier ihre Jungen zur Welt zu bringen. Die Nachbarin wiederum erzählte, dass die Katze regelmäßig zu den Mahlzeiten im Stall erschien und es niemanden auffiel, dass sie ansonsten eher selten zu sehen war. Die doppelten Mahlzeiten schlugen sich auch nicht auf ihr Gewicht. Letzteres Substantiv führt mich zur Tante eines guten Freundes, die unsere sportlichen Katzen furchtbar unterernährt einschätzte und sie daher vor dem drohenden Hungertod bewahren wollte. Es bedurfte eines längeren Gesprächs, diese so tierliebende Frau dazu bringen, die Gewohnheit, Dosenfutter in unsere Hofeinfahrt zu stellen, wieder aufzugeben. Ob sie es wirklich eingesehen hatte, dass unsere Katzen mit Mäusen, fleischlichen Küchenabfällen und Milch durchaus wohlgenährt, aber durch ihren großen Aktionsradius ohne Fettreserven waren, ist nicht mehr zu eruieren. Wie fit unsere Katzen waren, musste der fette Stubentiger unserer Sommerfrischler oft leidvoll erfahren; regelmäßig wurde er abgewatscht. Übergewichtig war Davonlaufen für ihn keine Option, so musste er seine Ferien fast ausschließlich im Zimmer fristen. Einer unserer Kater, der graubraun gefleckte Tiger, ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben: Seine Sprungkraft war phänomenal, zielsicher holte er sich Leckerbissen aus hoch gehobenen Händen und wie ein braver Hund begleitete er die Mutter auf die Felder, andererseits scherte sich sein Jagdinstinkt nicht um von Menschen festgelegte Regeln.

Als die Straße vor unserem Haus zu einer asphaltierten Bundesstraße ausgebaut wurde, fielen unsere Katzen immer wieder den Autos, deren Geschwindigkeit sie nicht einschätzen konnten, zum Opfer. Wirklich alt wurden leider nur die Katzen, die eine Kollision überlebten und daraus lernten.

 

Eine Stadtstreunerin

Angesichts der so positiven Erfahrungen mit quicklebendigen und an Bewegungsfreiheit gewöhnte Hofkatzen war ich gegen eine Wohnungskatze, wobei ich letzten Endes doch zugeben muss, dass ich auch sehr zufriedene Großstadtkatzen erlebt habe. Ich wurde jedenfalls im damaligen Kleinfamilienrat überstimmt und in einem Tierheim fiel die Wahl auf eine dreifärbige Katze: Viel zu viele Tiere vegetierten dort in einem gefliesten Keller! Von Anfang an ignorierte mich die Dreifärbige aus mir unerfindlichen Gründen – na ja, zugegeben: Ich habe sie mehrmals sehr rüde zurechtgewiesen, wenn sie des Nachts nerventötend jaulte. Aber musste sie deswegen gleich ein Elefantengedächtnis ausbilden? Bald stellte sich heraus, dass die Miaz (so benannte sie mein Sohn) in Freiheit gelebt haben musste, denn die von einem Ausflug mitgebrachte und in der Vitrine ausgestellte Vogelfeder ließ sie auszucken: Sie schlich ins Wohnzimmer, öffnete im Sprung die Glastür der Vitrine mit einer Pranke, griff sich die Feder und zerfetzte sie mit unglaublicher Gier. Eine lederne Spielmaus ereilte dasselbe Schicksal. Zweifellos wollte sie als Jägerin nicht zur Stubentigerin degradiert werden. Freundschaft schloss sie immer nur kurz, mein Sohn brachte sie jedoch an guten Tagen zum Schnurren und er fand auch heraus, dass sie kleine Bälle wie ein Hund apportierte. Zweimal stürzte sie beim Spazierengehen am Rande des Balkons aus großer Höhe auf die Straße und holte sich nur eine blutige Nase. Offensichtlich fühlte sich die Miaz in einer Wohnung nicht wohl und so wurde beschlossen, für sie einen geeigneteren Lebensraum zu suchen. Zweimal stürzte beim Spazierengehen am Rande des Balkons aus großer Höhe auf die Straße und holte sich nur eine blutige Nase. Offensichtlich fühlte sich die Miaz in einer Wohnung nicht wohl und so wurde beschlossen für sie einen geeigneteren Lebensraum zu suchen.

 

Aus einer Tagebucheintragung des Schreiberlings, als sein Sohn sechs Jahre alt war:

  1. Mai 2004: Elfi* liegt krank darnieder, nach dem Abendessen verkündet Juri*, dass er mir noch eine Nachspeise macht, das hat er dann auch ganz toll hingekriegt, Joghurt mit Nüssen, Marmelade und Sojapudding. Beim Zurückstellen des Joghurts in den Kühlschrank hat er allerdings das Schlagobers umgestoßen, sodass es aus dem Kühlschrank auf dem Boden heraustropft. Da ich gerade so verwöhnt wurde, verbeiße ich mir jedes böse Wort und versuche das Malheur wegzuwischen, aber Juri hat schnell eine andere Lösung parat: «Hans lass das, die Miaz wird sich um die Schlagoberslacke kümmern.» Mit Blick auf die Spritzer am Boden bemerkt er: «Das schaut wie beworfenes Land aus.» und kommentiert dann: «Miaz macht sich an die Arbeit – Miaz Schleckmaschine – für sie ist das eine richtig gute Ausbeute zum Schlecken.»
  2. Mai: Juri beschließt vorm Einschlafen mit Elfi, dass morgen der Zweite Geburtstag der Miaz gefeiert werden soll: «Wir kaufen ihr ein Kotelett – da braucht sich der Hans gar nicht aufregen: Das ist zu teuer, das ist zu groß.»

* Namen geändert