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Hip-Hop in Wien – Frauen an die Macht

Vielstimmig. Das Wiener ­Kollektiv Femme DMC erobert gerade die heimische Hip-Hop-Szene. Frauen an die ­Mikros, Plattenteller, Visualsregler und Sprühdosen ist das Motto. ­­­

Ruth Weismann hat mit den Künstlerinnen gesprochen, Carolina Frank hat fotografiert.

Es ist heiß an diesem Donnerstagabend im Wiener Fluc. Auf der Bühne steht Dacid Go8lin – oder eher: läuft von einem Ende zum anderen, beugt sich zum Publikum. «Seit ihr alle bereit?», ruft sie ins Mikro, und die Menge johlt. Viele junge Menschen sind da, um die Show zu sehen und zu tanzen. Denn Femme DMC, die All-Female-Hip-Hop-Crew is in da house! B-Girls treten auf, VJs zeigen Visuals, DJs lassen Beats krachen, Rapperinnen und Sängerinnen lassen ihre Lyrics und Songs hören. Was vor eineinhalb Jahren begann, hat sich schon zu einem beachtlichen Projekt entwickelt, die Fanbase wird quasi täglich größer.

Ausdrucksstark.

«Ich kannte früher selbst so wenig Frauen im Hip-Hop und Djing», erzählt Rapperin Dacid Go8blin, deren bürgerlicher Name Dafina Sylejmani lautet und die Femme DMC gegründet hat. Von Linz kam sie nach Wien, wo sie nun Kunst studiert, geboren wurde sie in Albanien. Und sie rappt auch gerne auf Albanisch. «Die Leute verstehen das zwar nicht, aber finden es trotzdem super. Das ist für mich auch eine Herausforderung», erzählt sie. Im Hip-Hop sind die Texte zwar sehr wichtig, aber das gesprochene Wort entfaltet zusammen mit guten Beats seine Power auch dann direkt körperlich spürbar, wenn der Inhalt nicht verstanden wird. «Ich kann alles rauslassen, es ist wie ein Ventil», erläutert Samy ihre Motivation, Hip-Hop zu machen. Sie ist auch Teil des Femme-DMC-Kernteams. Sechs junge Frauen sind das aktuell, neben Dacid, die das Kollektiv gegründet hat, und Samy gehören noch Soulcat, DJ CounTessa, Vjane Mjane und Zionflex dazu, die aus England ist und eigentlich in London wohnt. «Ich komme für die Shows nach Wien», erzählt sie. In England ist sie schon länger als Rapperin aktiv, und sagt: «Hip-Hop ist eine extrem wichtige Erfahrung für mich als eine schwarze Person in dieser Welt. Wenn ich Hip-Hop nicht hätte, würde ich sehr frustriert und wütend sein. Es ist ein Weg, mich auszudrücken.»

Sisterhood.

Frauen, und zwar alle, die sich als solche bezeichnen wollen, zu fördern ist das erklärte Anliegen von Femme DMC, in einem Genre der Musik- und Unterhaltungskultur, in dem Sexismus und männliche Dominanz Tradition haben. Die Stimme erheben – im wahrsten Sinn des Wortes, gegen die rassistischen, sexistischen und homophoben Klammern der Gesellschaft. «Es ist eine Vernetzung zwischen professionellen Musikerinnen und Artists, dazu gehört eben Rap, Djing, Graffiti und Dance», erzählt Rapperin Soulcat. Sie kommt ursprünglich aus der Dominikanischen Republik und konnte sich früher, wie sie sagt, mit keiner Musik richtig identifizieren. Bis sie Hip-Hop entdeckte. Gemeinsam mit CounTessa ist sie auch im DJ Kollektiv Brunnhilde aktiv, bei Femme DMC ist CountTessa so etwas wie die Haus-DJ. Wenn sie an den Plattentellern steht, geht die Crowd auf der Tanzfläche ziemlich ab. Und ja, im Publikum sind auch einige Männer.

Zählungen der österreichischen Plattform femdex.net – deren Gründerin Hannah Christ vom Argument von Bookern, es gäbe ja kaum Frauen in der elektronischen Musikszene, darum könne man keine buchen, die Nase voll hatte – haben ergeben, dass der Anteil weiblicher Artists, die in österreichischen Clubs spielen, nur rund 10 Prozent beträgt. Für die Hip-Hop-Szene könnte das ähnlich aussehen. «Die Connection unter den Frauen muss genauso stark sein wie unter den Männern», findet Soulcat. «Um diese Quoten zu brechen, müssen wir unsere eigenen Räume erschaffen.» Dieser Gedanke war es auch, der Dacid Go8lin zur Idee brachte, ein queer-feministisches Kollektiv zu gründen, dass schließlich mit dem Namen Femme DMC den Namen des bekannten (rein männlichen) Rap-Trios Run DMC persifliert. Für die Shows, die meistens im Wiener Fluc im Abstand von ein paar Monaten stattfinden, werden jedes Mal verschiedene Gruppen oder Einzelkünstlerinnen eingeladen, die Tanzen, Rappen, Singen, Djing oder Vjing betreiben. «Dadurch haben wir immer mehr Frauen in der Szene kennengelernt», erzählt Vjane Mjane. Das Argument, es gäbe keine Frauen zu buchen, ist also eher den sexistischen Scheuklappen geschuldet als der Realität.

Nachwuchsarbeit.

Dass diese Realität noch größer wird, dafür sorgt auch der kollektivinterne Nachhilfeunterricht. Für junge Frauen, die ihre Skills weiterentwickeln wollen, ist Femme DMC die richtige Anlaufstelle. «Wir helfen uns gegenseitig, jede hat das, was sie gut kann, aber wir lernen auch immer voneinander», berichtet CounTessa. Gelernt wird nicht nur, wie man den Flow verbessern kann oder gute Beats baut, sondern auch, sich zu trauen. «Das mag ich am Hip-Hop. Du musst dich zeigen, du musst brüllen wie eine Löwin», erklärt Dacid Go8lin.

Dass es, bevor sie Femme DMC gründete, keine großen heimischen Hip-Hop-Initiativen gab, die ausschließlich Frauen in den Vordergrund rücken, hat sie schockiert. Männer sind davon teilweise irritiert, selbst wenn es viele Unterstützer gibt. «Wir kriegen oft Anfragen von Männern, ob sie nicht auch bei uns auftreten können», erzählt Dacid Go8lin lachend. Dabei steht schon in der Info auf Facebook ganz klar, dass es sich hier um eine All-Female-Crew handelt. Und Soulcat erzählt kopfschüttelnd, dass sie oft gefragt wird, warum sie nur Frauen seien. «Ich sage dann: Ihr habt selber ja auch voll viele Jungsgruppen und fragt euch nicht, warum da nur Jungs sind. Aber wenn sich einmal Frauen zusammenschließen, wird gleich gefragt, warum das nicht gemischt sein kann.»

Konkurrenzlos.

Zur gegenseitigen Unterstützung gehört auch, sich bei der Entwicklung des eigenen Images zu beraten. Denn: So sehr das Kollektiv (noch) Underground ist und die herkömmlichen Mechanismen auf den Kopf stellen will, so sehr haben doch alle den Anspruch, mit ihrer Kunst auch mal Geld verdienen zu können. Auf Konkurrenz zu bauen sei da aber der falsche Weg, sind sich alle einig. «Wir unterstützen uns lieber gegenseitig mit Kontakten und allem Möglichen, es hat ja keinen Sinn, Konkurrenzkampf zu machen», ist Samy überzeugt. «Konkurrenzkampf führt dazu, dass eine Frau oben steht und alle anderen unten. Dann gibt es total viele coole Artists, aber alle schauen nur auf eine, die am meisten verkauft und gefeatured wird. Das wollen wir nicht, das hat keinen Sinn», fasst Soulcat zusammen.

Was nämlich zählt, ist nicht der Starkult, sondern die Botschaft. Am Hip-Hop interessiere sie nicht, wie viel Geld oder Frauen sie habe, denn Hip-Hop sei Politik, sagt Dacid Go8lin, und alle stimmen ihr zu. Man müsse nachdenken, worüber man rappt. Es geht also um die Message, und da hat jede Künstlerin ihre eigene. Im Rampenlicht ist für alle Platz.

 

Live-Show am 15. September, 21 Uhr

2., Fluc, Praterstern 5

Eintritt: 10 Euro

www.femmedmc.tumblr.com

www.facebook.com/FEMMEDMC

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