Augustiner Francis
Ich verkaufe den Augustin bei der Friedensbrücke. Diese Arbeit ist nicht leicht, man muss mutig dafür sein. Mein Ziel ist es, Leute zu ermutigen, die Zeitung regelmäßig alle zwei Wochen zu kaufen. Drei Euro pro Zeitung sind nicht viel, manchmal bekomme ich nur 20 Euro am Tag. Für mich ist das okay, denn ich habe schon 2004 begonnen, den Augustin zu verkaufen. Ich bekomme bis heute keine Sozialhilfen und brauche den Verkauf, um Miete und Essen zu bezahlen, denn ich muss mich selbst erhalten. Ich brauche diese Arbeit. Ohne Arbeitserlaubnis kann ich keine andere Arbeit suchen.
Bald habe ich meinen Termin, um meine Dokumente zu erhalten. Ich bin hundert Prozent sicher, dass ich sie verlängert bekomme. Seit 19 Jahren bin ich in Österreich, mein Sohn wird dieses Jahr 16. Seit er geboren wurde, bekomme ich immer nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, aber keine Arbeitserlaubnis. Er lebt in Niederösterreich und ich möchte ihn zu mir holen. Momentan sehe ich meinen Sohn nicht regelmäßig, denn ich habe Stress mit seiner Mutter. Ich möchte alles in Ordnung bringen. Dafür brauche ich eine bessere und größere Wohnung, damit er mit mir leben kann. Ich arbeite daran, einen richtigen Aufenthalt zu bekommen. Hier ist meine Stadt, hier bin ich zu Hause. Ich habe eine Versicherung, alles wird gut gehen.
Warum ich mir so sicher bin? Ich vertraue darauf, dass Gott alles unter Kontrolle hat. Sonntags schaue ich mir online den Gottesdienst von meinem Pastor in Nigeria an und höre Gospelmusik. Ich bin auch Pastor. Wenn ich meine Dokumente habe, möchte ich mir eine Genehmigung holen, um auf der Straße zu predigen. Dann möchte ich mir Arbeit auf einer Baustelle suchen. Ich bin stark und habe Energie!
Ich war nicht im Gefängnis, ich habe keine Verbrechen begangen, immer nur den Augustin verkauft. Die Polizei kontrolliert so viele Augustin-Verkäufer:innen, das ist nicht fair. Aber sie können mich ruhig überprüfen. Niemand kann mir etwas anhaben. Ich bin wie ein Löwe bei meiner Station! Bei meinem Zahnarzttermin* neulich hat sich eine weiße Person vor mich gedrängt, aber ich habe gesagt: «Nein! Ich kenne meine Rechte. Wir müssen alle Menschen gleich behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe!»
* Anm. d. Red.: Von Francis’ erfolgreichem Zahnarzttermin berichteten wir in der Coverstory der Ausgabe Nr. 594
PROTOKOLL: SYLVIA GALOSI
FOTO: MARIO LANG