Im Gespräch mit Al Cook, 71, Bluesmusiker mit «Goldenem Verdienstzeichen» der Republik
Al Cook, Jahrgang 1945, gilt als der verdienstvollste Bluesmusiker des Landes. Anlässlich seines 71. Geburtstags feierte Al Cook kürzlich seinen «Great Birthday Jamboree» (mit Konzert und Live-Band) und verabredete sich einige Tage später mit Al Bird Sputnik (Text) und Mario Lang (Foto) zum Interview. Ein Porträt über 50 Jahre im Zeichen des «Working Man Blues».
Seine musikalische Sozialisation erfuhr der gelernte Feinmechaniker Al Cook (alias Alois Koch) mit den Kinofilmen von Elvis Presley im Wien der frühen 1960er Jahre. Nach dem Erwerb seiner ersten Konzertgitarre 1963 und ruhm- wie glücklosen Auftritten als halbwüchsiger Rock-’n’-Roll-Performer entdeckte er schließlich den Blues. Rein zufällig. «Das war eine Umweg-Geschichte», vergegenwärtigt er sich heute im Gespräch. «Als mir klar wurde, dass es mit dem Rock ’n’ Roll nichts werden würde, habe ich nach etwas Neuem gesucht. Ich wollte mein Leben der Musik widmen. Anfangs aus sozialen, später aus künstlerischen Gründen. Eines Tages hatte mein Nachbar sein Fenster offen und hat dabei ein Tonband gespielt mit Aufnahmen, wie ich sie bis dahin noch nicht gehört hatte, und die mich sofort fasziniert haben. Ich bin zu ihm raufgegangen und hab ihn gefragt, was das für eine Musik ist.»
Auf Anraten des selbigen Nachbarn besuchte er einen auf obskure Schallplatten spezialisierten Laden in der Wollzeile, in dem er die historischen Blues-Wiederveröffentlichungen des umtriebigen Wiener Archivars und Musikproduzenten Johnny Parth auf dessen Label «Roots Records» entdeckte (siehe Porträt in Augustin Nr. 404.). «Wichtige Lehrmittel», wie Cook anmerkt, der zu diesem Zeitpunkt freilich längst mit dem Blues-Virus infiziert war. Wie ein Besessener studierte er das Werk archaischer Genre-Größen wie Robert Johnson oder Blind Lemon Jefferson, um deren Songmaterial zu verinnerlichen und mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – Gitarre und Gesang – autodidaktisch zu imitieren. Geübt wurde täglich fünf bis acht Stunden.
Wie ein anachronistischer Fisch im Wasser
Der beträchtliche Arbeitsaufwand machte sich bezahlt, als der eigensinnige Außenseiter mit Ende der 1960er-Jahre bereits die gängigsten Genre-Spielarten des Blues beherrschte und sich fortan nur mehr «Al Cook» nannte. Kontinuierlich entwickelten sich seine Live-Shows zum Geheimtipp einer florierenden Wiener Folk-Szene, die schon derart charismatische Recording Artists wie Jack Grunsky, die Milestones oder die Worried Men Skiffle Group hervorgebracht hatte. Bemerkenswerterweise verlief die Karriere des Al Cook aber dennoch völlig gegen den Zeitgeist: Allein schon der anachronistische Teddy-Boy-Look, den er selbstbewusst zur Schau stellte – mitsamt spitzem Schuhwerk, weiten Sakkos und glänzender Pomade im Haar – wirkte wie ein Relikt der 1950er Jahre und schien unvereinbar mit Hippie-Mode-Trends jener Tage. «Auch unter meinen Arbeitskollegen war ich damals irgendwie ein Alien», vergegenwärtigt sich der Bluesmusiker. «Doch wenn ich auf der Bühne gestanden bin, hab’ ich mich sicher gefühlt und gemerkt: Da ist eine Wand, wo sich die meisten ander’n Leute ned rauftrauen. ‹Kummt’s auffe und macht’s des, was i mach!› – das war meine Sicherheit. Auf der Bühne war ich ein Fisch im Wasser.» Gleichzeitig war Cooks Auftreten nie aufdringlich oder polternd, sondern stets präzise, unaffektiert und auf das Wesentliche reduziert. Umgeben von einer Aura des Unnahbaren und beschützt vom heiligen Blues, hatte er hier ein Genre für Österreich adaptiert, in dem er über alle Szenenzusammenhänge hinaus der unumstrittene König war. Und übrigens auch bis heute geblieben ist.
Keine Verhunzungen
Als sich die Beatles gerade auflösten und progressive Rockbands als Non-Plus-Ultra des internationalen Pop-Geschäfts gehandelt wurden, ja sogar kommerziell reüssierten, fand der damals 25-jährige Cook auch erstmalig den Weg in eine größere mediale Wahrnehmung. Die renommierte Wiener Plattenfirma Amadeo, eine Tochter des US-amerikanischen Vanguard-Konzerns veröffentlichte im November 1970 seine Debüt-LP «Working Man Blues», die mit elf selbstkomponierten Nummern überzeugen konnte. Ungeachtet der positiven Resonanz im heimischen Feuilleton, blieb er selber jedoch erwartungsgemäß skeptisch. Als Schellack-Sammler und Kenner des authentischen Blues-Sounds der 1920er- und 30er-Jahre, erschien Cook sein im Austrophon-Studio produziertes Album als «zu sauber».
Mehr noch: Als ein österreichischer Journalist dem gefeierten britischen Musiker und Szene-Dandy Alexis Korner anlässlich eines Interviews die LP «Working Man Blues» vorspielte, zeigte sich der Engländer derart beeindruckt, dass er den Wiener prompt kennenlernen und zu einer gemeinsamen Recording Session einladen wollte. Al Cook jedoch lehnte das Angebot ab und verzichtete auf die Möglichkeit, sich mit Korner und dessen einflussreicher Szene zu vernetzen. Das Risiko, von einer kommerziellen Schallplattenindustrie vereinnahmt und als glattgebügelter Popmusiker wieder ausgespuckt zu werden, war ihm damals zu hoch: «Ich will bis heute nicht, dass meine Musik ins Poppige oder Rockige verhunzt wird. Ich mach bei so was nicht mit. Auch, wenn ich nie wieder in meinem Leben eine Platte mache. Zum Erdäpfel-Fressen reicht’s immer noch.» Es sind genau diese Geschichten, die das integre Schaffen des Al Cook am treffendsten charakterisieren. Tatsächlich wird hier eine nahezu spirituelle, völlig uneitle Mission sichtbar, deren Erfüllung oberste Priorität in allen Lebensentscheidungen des Alois Koch gehabt hat und immer haben wird: die Bewahrung eines authentischen Blues-Sounds. Ohne Kompromisse.
White King of Black Blues
Der heute 71-jährige Al Cook sitzt mir in der Konditorei Neunteufl im 3.Bezirk gegenüber und erzählt Geschichten aus seinem Leben: von seinen ersten Berührungen mit den Aufnahmen von Blind Lemon Jefferson, Auftritten mit den Schmetterlingen im Atlantis-Club oder einer Konzertreise mit dem blutjungen Wolfgang Ambros. Es sind Geschichten, die er vermutlich schon oft erzählt hat, für die er sich aber dennoch die nötige Zeit nimmt. Als eine Frau am Nebentisch meinen Gesprächspartner um ein Autogramm bittet, wird die stille Bewunderung, die im Raum liegt, deutlich spürbar. Der «White King of Black Blues», wie ihn die Presse nach rund fünfzehn Album-Veröffentlichungen nennt, weiß um seine Wirkung. Seit fünfzig Jahren kultiviert der Privatmensch Alois Koch nun die Marke Al Cook, ebenso den Klang seiner Slide-Gitarre und den archaischen Kehlkopf-Gesang, der einem die Gänsehaut über den Rücken jagt. Den Menschen, die’s interessiert, erzählt er Geschichten. In seinen Songs, wie auch im realen Leben. Die Geschichten, die Al Cook erzählt, sind zeitlos und brauchen Zeit, um sich zu setzen.