Als Sport zum Spektakel wurdevorstadt

100 Jahre Sportgeschichte in Österreich im Museum NÖ

Eine ambitionierte Ausstellung zeigt das Museum Niederösterreich: Nichts weniger als «Das Jahrhundert des Sports» wird in fünf Kapiteln unter dem Titel I wer’ narrisch! aufbereitet. Für diese Herkulesaufgabe hat sich auch gleich ein Kurator_innenteam unter der Leitung des Historikers Bernhard Hachleitner in die Riemen gelegt. Und der Aufwand hat sich gelohnt, so viel sei vorweggenommen.
Vor rund einhundert Jahren wurde, folgt man der diesem Projekt zugrundeliegenden These, in Österreich der Sport zum Massenphänomen. Die Einführung des Achtstundentages im Jahr 1918 sorgte quasi für den Aufschlag: Weniger Arbeitszeit brachte mehr Freizeit, damit einhergehend bildete sich ein Bewusstsein für körperliche Betätigungen abseits des Robotens heraus. Der nächste kräftige Anschub erfolgte zehn Jahre später durch die ersten Radioübertragungen von Fußballspielen – Sport wurde auch Spektakel.
Wir springen jetzt genau ein halbes Jahrhundert weiter, nach Argentinien, von wo aus am 21. Juni 1978 ein gewisser Edi Finger jun. eine Schreiorgie durch den Äther jagte. Sein «Narrischwerden» hatte auch maßgeblichen Anteil daran, aus einem Fußballmatch «Das Wunder von Córdoba» zu formen. Schade, dass dieser bedenkliche nationale Mythos nicht kritisch abgeklopft wird, sondern vielmehr im Titel der Ausstellung affirmativ Anwendung findet.
Von diesem Schönheitsfehler abgesehen wird die Sportgeschichte erfreulicher Weise unter vielen sozialen und politischen Aspekten reflektiert, angefangen von Körperbildern über Diskriminierung bzw. Inklusion, Fanwesen bis hin zu Doping – beinahe alles, was (leider) zum Sport dazugehört, findet Beachtung. Und keine Sorge, unterhaltende Elemente kommen auch nicht zu kurz, etwa der Olympiaanzug des österreichischen Teams für Innsbruck 1976 – ein Gustostückerl aus der Kostümgeschichte.
reisch

museumnoe.at
Bis 9. Jänner 2022

Foto: Daniel Hinterramskogler (Das Steherrad, das Roland Königshofer natürlich im Sitzen gefahren hat)