Am Dachboden der KlischeesArtistin

«The Sound of Music» als Revue mit Austrofred als MC

Der Kurator und Kunstkritiker Vitus Weh hat sich ausgerechnet den in Österreich scheinbar vergessenen Musicalfilmklassiker «The Sound of Music» ausgewählt, um am Dachboden des Museumsquartiers eine Revue zu inszenieren: «The Making of Österreich». Anlass waren das Festival «MQ Summer of Sounds» und das aktuelle Programmpapier der österreichischen Regierung, das unter «Nation Branding Austria» unter anderem die Neuverfilmung von «The Sound Of Music» vorsieht. Mit im Team: Yosi Wanunu als Regisseur und Austrofred als Master of Ceremony. Unter barockem Dachgebälk im Museumsquartier, dem Schauplatz dieser «surrealen Blaupause» von «The Sound Of Music», fand eine Augustin-Gesprächsrunde mit dem künstlerischen Kernteam statt.Yosi Wanunu, du bist schon viel gereist, hast acht Jahre in Amerika gelebt. Was war deine Wahrnehmung bezüglich dieses Images von Wien als Musikstadt bzw. Österreich als Musikland?

Yosi Wanunu: Die Leute, die ich aus dem Musicalbereich in Amerika kennengelernt habe, kennen die Songs von «The Sound Of Music» und verbinden sie mit verklärten, pastoralen Kindheitserinnerungen – die schöne Landschaft, die gute alte Zeit. Österreich ist bloß eine Metapher dafür. Die Natur, das Wiesengrün ist ein Äquivalent für den Himmel, das Paradies. Und dann gibt es Probleme im Himmel, weil die Bösewichte kommen. Die historischen Begebenheiten der Trapp-Familie, die als ursprüngliches Ausgangsmaterial für den Film dienten, kennen sehr wenige Menschen. Für mich ist das Musical generell eine zulässige künstlerische Ausdrucksweise. Ich habe viele Jahre in Amerika gelebt, und anfangs hasste ich Musicals auch. Als ich dort Regie studierte, musste ich ein klassisches Musical konzipieren. Im Zuge meiner Recherchen erkannt ich, dass diese Struktur und Form wirklich brauchbar ist. Ich will jetzt aber auch nicht jeden davon überzeugen müssen, dass das Musical ein großartiges Format ist. Aber ich finde, es ist manchmal wirklich befreiend, einfach plötzlich und ohne Grund drauflos zu singen.

Wie würdet ihr den Begriff einer Revue jemandem erklären, der diesen Begriff nicht kennt?

Austrofred: Der Vorteil einer Revue ist, dass man keine Geschichte erzählen muss, sondern man arbeitet mit einzelnen Bildern. Das Publikum kann sich die Geschichte dann quasi selber zusammenbauen. Das hat auch diese Räumlichkeit, der Dachboden, nahegelegt. Auch das Arbeiten mit Szenen aus «The Sound of Music», mit österreichischen Klischees, hat eine Fraktalisierung von Ideen nahegelegt.

Diese Revue ist also keine Persiflage auf «The Sound Of Music»?

Austrofred: Auf keinen Fall. Es ist schon eher eine Hommage. Es werden schon Kuriosa und Schräglagen in der Vorlage herausgearbeitet. Aber das ist etwas anderes, als sich darüber lustig zu machen. Das würde auch nicht funktionieren. «The Sound of Music» hat eine hohe Qualität im Aufbau: die Musik, die Texte, die Dramaturgie, die Bildsprache im Film. Wir arbeiten ja vor allem mit dem Film als Vorlage.

Vitus Weh: Es war am Anfang nicht ganz klar, ob sich unser Stück lustig machen sollte, alles ins Komische gezogen werden sollte. Aber je länger wir daran arbeiteten, umso stärker merkten wir, dass so ein Lied wie «Edelweiß» eine unfassbare Kraft hat, obwohl es ein erfundenes Volkslied ist. Darüber haben sich ja auch viele Volksliedforscher, wie ich glaube, immer wieder aufgeregt. Aber es ist einfach gut gemacht, und wenn man sich das geschichtlich einmal näher ansieht, so ist jedes Volkslied eigentlich ein Kunstlied. Auch «Stille Nacht» wurde einmal von einer Einzelperson komponiert. Alle Lieder haben einen Komponisten, und die Vorstellung, dass ein Lied aus einer Volksseele heraus entsteht, das ist nun mal nicht so. Insofern hat ein Lied einfach eine Machart. Somit muss es auch ernst genommen werden – auch in seiner Süßlichkeit und Emotionalität.

Es werden nur dreißig Personen pro Vorstellung die Gelegenheit haben, ganz nahe an den Szenen und der Präsenz der Performer_innen dran zu sein. Für mich ist Theater in dieser Form unglaublich stark. Diese Nähe und Intimität in diesem Rahmen ist etwas ganz Wichtiges. Das ist vielleicht auch die Quintessenz einer Revue, dass sie einen Weg und eine Brücke zwischen unzusammenhängenden Dingen darstellt. Wir gehen hier ständig über Stege, die auch wie Brücken funktionieren.

Yosi Wanunu: Ich finde, man würde es sich zu leicht machen, einfach eine Parodie zu entwickeln. Es würde in diesem Kontext auch nicht funktionieren, weil viele Leute die Referenzen nicht verstehen. Um die Witze verstehen zu können, müsste man ja das Original kennen. Für uns war es interessanter, in diese Thematik einzutauchen und Reibungspunkte zu eruieren. Wir arbeiten mit einem historischen Dokument, der Film ist mittlerweile ein historisches Dokument, er wurde vor 50 Jahren gedreht. Wie verfrachten wir nun die Inhalte in die Gegenwart? Schaffen wir es, die Leute mit einem «schmalzy» Song wie «Edelweiß» zu berühren – ein «very sophisticated 21st century» – Publikum, das auf der Suche nach Off-Kultur hier am Dachboden landet?

Gespräch: Michael Woels

Fotos: Carolina Frank

Info:

Do., 18. 9. – So, 21. 9.

Uhrzeiten und Ticketpreise: www.dschungelwien.at/programm/produktionen/804

Von Austrofred erschien im Czernin-Verlag 2013 der musikjournalistische Abenteuerroman «Hard On!»


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