«An Beziehungen arbeiten»vorstadt

Foto: Mario Lang

Walter Mohl ist ein Pädagoge, der sich auch im Ruhestand für jüngere Menschen stark macht.

TEXT: UWE MAUCH

FOTO: MARIO LANG

Die beiden Brüder auf dem Foto lernen jetzt Automechaniker bei ­einer renommierten Firma in Graz. Den pensionierten Lehrer freut das. Er streicht weiter über sein Mobiltelefon: Da schau her! Vor vier Jahren hat er die jungen Syrer und deren Familie in einer Flüchtlingsunterkunft in Atzgersdorf kennengelernt. «­Damals sprachen sie noch kein Wort Deutsch.»
Er hat mit ihnen gelernt, ist mit ihnen zu Ämtern und Ärzt:innen gegangen, hat ihnen seinen geliebten Sport nähergebracht. ­Heute kann er sich sicher sein: «Der Aufwand hat sich ­gelohnt, sie werden ihren Weg machen.»

Vorbild Vater

Walter Mohl war bis zu seiner Pensionierung leidenschaftlich Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sport – in einer Mittel­schule im 23. Bezirk. Es war ihm immer wichtig, dass alle Kinder in seiner Klasse ­einen Zugang zur Bildung finden, nicht nur ein paar ausgewählte.
Im Ruhestand seit 2011, stellt Walter Mohl sein Wissen und seine Erfahrung weiterhin Kindern und Jugendlichen zur Verfügung, vor allem solchen, die es nicht so gut erwischt ­haben wie er selbst. Sein soziales Engagement begründet er so: «Mein Vater musste, als er 18 war, vor den Nazis flüchten. In London traf er dann auf Menschen, die ihn willkommen hießen und die ihm auch eine Lehre ermöglicht haben. Seine Erzählungen haben mich immer sehr beeindruckt.»
Selbst ist er als Einzelkind wohlbehütet in einem Zweifamilienhaus in Mauer aufgewachsen. Als er 18 wurde, wusste der leidenschaftliche Handballspieler schon, dass er beim Coachen von Jüngeren ein gutes Händchen hat. Nach dem Studium begann er als Lehrer zu ­arbeiten und zeitgleich für den ORF als ­freier Mitarbeiter Beiträge und Sendungen zu gestalten. Irgendwann war für Walter Mohl jedoch klar: «Die Liebe zur Schule ist stärker.»
In der Mittelschule, die seine Generation Hauptschule nannte, war einer wie er ein Fels in der Brandung. Jeden Schüler und jede Schülerin versuchte er dort abzuholen, wo dieser bzw. diese gerade angelangt war. Früh in seinem Berufsleben war ihm klar, dass nicht alle Kinder dieselben Chancen haben, dass es daher nur fair ist, den Nachzügler:innen vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken. Kaum jemandem ist mehr zu glauben als ihm, wenn er sagt: «Lehrer sein heißt immer auch: an Beziehungen arbeiten.»

Vorbild Walter

In der Fotogalerie seines Mobil­telefons finden sich viele Menschen, denen Walter Mohl ohne Organisation oder Verein im Hintergrund privat und ehrenamtlich helfen konnte. Darunter sind etliche unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Krieg führenden Ländern. Er lernt mit den Kids für den Pflichtschulabschluss und bei weiterführenden Ausbildungen. Sogar zu Elternabenden geht er, wenn ihn die Eltern darum bitten.
Als im Frühjahr 2022 der Krieg in der ­Ukraine begann, war Walter Mohl sofort in seiner alten Schule zur Stelle. Bis zum Sommer hat er gemeinsam mit einer Pädagogin aus der Ukraine 25 Kinder betreut: «Das war eine sagenhafte Zusammenarbeit. Es ist uns gelungen, die Ängste der Kinder abzubauen, sie hier richtig ankommen zu lassen.» Wie selbstverständlich hat er zudem bei Behördengängen geholfen, Spenden gesammelt und Ausflüge organisiert.
Sein Mobiltelefon macht jetzt zum wiederholten Mal einen leisen Muckser. Die gute Nachricht kommt heute aus Kalkutta: «Hallo Uncle! Ich habe den Abschluss in meinem College geschafft.» Ja, auch in Indien hilft Walter Mohl seit einigen Jahren. Und das kam so: «Auf der Heimreise von einem Urlaub habe ich in Kalkutta eine Schule besucht, die Straßenkinder betreut.» An der Schule hat er auch unterrichtet. Von Wien aus unterstützt er weiterhin Jugendliche beim Lernen für ihre Ausbildung via WhatsApp, darüber hinaus mit ­gezielten Sachspenden – von ihm und aus seinem Freundeskreis.

Zwei Vorbilder

In einem Haus in Klosterneuburg hat er wiederum junge Menschen betreut, die aufgrund ihrer psychischen oder disziplinären Situation vom öffentlichen Schulsystem mehr oder weniger aufgegeben wurden. Eine Geschichte für sich: «Auch dort ging es viel um Beziehungsarbeit.»
Zurück zu seinem Vater, der nach dem Krieg nach Wien zurückgekehrt ist, gut ausgebildet, hochmotiviert: Er begann in seiner alten Heimat zunächst als Buchhändler zu arbeiten und gründete später den Mohl Verlag. Was für eine Geschichte! Der Sohn setzt sie fort.
Das Lebensmotto von Walter Mohl darf gerne als Vorbild dienen: «Wenn es Probleme mit Menschen gibt, bitte hinschauen, zuhören, miteinander sprechen und dann gemeinsam nach Lösungen suchen.»