Ein kritischer Blick auf die Republik
100 Jahre Republik Österreich. In 24 Kurzfilmen und acht Themenblöcken verhandelt der partizipative Ausstellungsrundgang shaping democracy – the republic in 24 frames per century die jüngere Geschichte Österreichs. Christian Egger hat sich mit den beiden
Kurator_innen Doris Bauer und Daniel Ebner unterhalten.
Foto: Christopher Glanzl
Wie lange hattet ihr Zeit in der Vorbereitung und wie ergaben sich die acht Themenfelder der Ausstellung für euch?
Doris Bauer: Wir haben vor etwa einem Jahr begonnen, diese Ausstellung durchzudenken und zu überlegen, was wir dort machen wollen. Es gab die Einladung vom MQ21 an das Vienna Shorts Filmfestival, und wir haben uns hingesetzt: ‹100 Jahre Republik Österreich› – was können, was wollen wir da machen, wie kann man da auch filmisch einen Beitrag dazu leisten? Wir beide kommen vom Film und wollten deshalb auch mit Kurzfilm in der Ausstellung arbeiten. Das waren zunächst der Rahmen und die Voraussetzung. Als Erstes haben wir dieses Konzept entwickelt. Man muss dazu sagen, wir beide als Kurator_innen haben Politikwissenschaft studiert, das heißt, das Thema war uns nahe. Wir begannen zu recherchieren, haben Texte nachgelesen, uns intensiver mit dem Jubiläum auseinandergesetzt, und dann hat sich langsam dieses Konzept herausgebildet. Es war uns von vornherein klar, dass wir nicht ein filmisches Abbild dieser hundert Jahre bieten wollen, sondern es ist uns als junges Festival darum gegangen, eine zeitgenössische Perspektive zu den wesentlichen Themen einzunehmen. Im ersten Schritt haben sich mehrere Themen herauskristallisiert, aber wir haben das aufgrund der örtlichen Gegebenheiten schon ein bisschen zusammenkürzen müssen. Letztendlich haben wir uns dann auf diese acht Themenblöcke fokussiert und erst im zweiten Schritt begonnen, die passenden Filme dazu zu sichten.
War es eine Herausforderung, einen so langen Zeitraum mit Kurzfilmen zu beleuchten?
Daniel Ebner: Was für uns hierbei sehr wesentlich ist, dass wir kein Archivmaterial und keine historischen Filme verwenden. Wir begeben uns also nicht in die jeweilige Zeit aus den letzten hundert Jahren, sondern versuchen stattdessen tatsächlich einen zeitgenössischen Blick auf das Ganze zu werfen. Ein zweiter Aspekt ist, dass wir nicht nur mit österreichischen Filmen arbeiten, sondern dass wir einen internationalen Blick zulassen. Ein zentraler Punkt ist, dass wir zu jeder Ausstellungsstation, zu jedem Thema drei unterschiedliche Perspektiven, Positionen ermöglichen. Das war die größte Herausforderung im Kuratieren und an der Konzeption der jeweiligen Station: Welche Position kann man denn zu einem Thema wie Erinnerungskultur einnehmen oder zu einem Thema wie Autorität anbieten?
DB: Wir haben eben versucht, einen grundsätzlichen Blick auf die Struktur einzunehmen. Es geht in der Ausstellung ganz wesentlich darum, bestimmende Aspekte in diesen hundert Jahren zu reflektieren, grundsätzliche Werte zu reflektieren und da sozusagen eine Perspektivenverschiebung vorzunehmen: Werte der Demokratie, Werte, die für uns alle in einer Gesellschaft wesentlich sind. Wie gehen wir mit Medien um? Wie sieht es aus mit Autorität, wie mit Identität? Was gibt es überhaupt für eine Identität in Österreich? Wir wollten also grundsätzliche Fragen stellen, Fragen aufwerfen und uns dabei nicht von irgendwelchen tagesaktuellen Themen leiten lassen. Es ging uns wirklich um eine grundsätzliche Auseinandersetzung.
Wie seid ihr auf die partizipativen Elemente dieser Ausstellung gekommen?
DE: Es war ein wesentlicher Aspekt für uns, dass es letztlich eine Demokratieausstellung ist – Demokratie äußert sich darin, dass man alle drei, vier Jahre eine Wahl, eine Entscheidung trifft. Diesen Entscheidungsprozess wollten wir auch in die Ausstellung integrieren und einen Teil davon mit reinnehmen. Es gibt pro Station drei Filme, und man muss als Besucher oder als Besucherin eine bewusste Entscheidung treffen: Man muss sich für eine Position, einen Film entscheiden, das geht leichter, wenn man alleine unterwegs ist, wenn man zu zweit oder zu dritt in die Ausstellung geht, entstehen bereits Diskussionen. Da gibt es vielleicht Überlegungen in der Diskussion: Wie wollen wir uns überhaupt positionieren? Wo stehen wir, welchen Film wollen wir uns anschauen? Das kann ästhetische, aber bis zu einem gewissen Grad auch inhaltliche Gründe haben.
Und nach den bisherigen Erfahrungen funktioniert das auch in eurem Sinne?
DE: Das funktioniert interessanterweise noch viel besser, als wir uns das gedacht haben. Wir waren tatsächlich ein bisschen neugierig, ob es diese Diskussionen, ob es in irgendeiner Form Gespräche geben wird. Wir haben das bereits bei der Eröffnung gesehen, sogar in diesem Rahmen wurde das unglaublich gut genutzt. Die Leute setzten sich und meinten, jetzt sind wir schon da und jetzt wollen wir alle drei Filme ansehen. Grundsätzlich dauert die Ausstellung in etwa 70 Minuten – wenn man tatsächlich von einer Station zur nächsten geht. Wenn man sich alle Kurzfilme ansieht, ist man rund vier Stunden beschäftigt.
Wie gestaltete sich die Auswahl der Filme selbst?
DE: Was das Formale betrifft – und das ist auch das grundsätzlich Schöne an der kurzen Form, war es uns wichtig, das man keinen dramaturgischen Bogen beachten muss. Die Filme können sehr direkt sein. Und es war uns auch wichtig, mehrere Formate und formale Ansätze dabei zu haben. Wir zeigen experimentelle Arbeiten, animierte Arbeiten, Dokumentarisches und auch Fiktionales und zwar sehr gleichwertig. Gemeinsam ergäben sie ein großes Ganzes, wenn man sie im Kino hintereinander ansehen würde. Einerseits wollten wir eben alle Genres in dieser Ausstellung auch repräsentiert haben, andererseits war es für uns schon auch wichtig, dass wir keine Jubelausstellung gestalten und eine völlig unkritische Perspektive auf das Ganze einnehmen.
DB: Uns war es viel wichtiger, mehr zu hinterfragen und filmisch aufzuarbeiten. Wir wollten auch kritische Positionen und einen internationalen Blick einnehmen. Anstatt der üblichen Selbstbeweihräucherung und dem In-der-eigenen-Suppe-Kochen wollten wir über den Tellerrand schauen und danach fragen, wie denn die Wahrnehmung von außen ist und worin dieses vermeintlich Österreichische besteht. Ich denke, wir haben ein paar schöne filmische Arbeiten gefunden, die da wiederum eine neue Perspektive einnehmen und die sehr hilfreich dabei sein können, sich einmal zurückzulehnen und zu sagen: ‹Das ist anders. Ja, ganz anders.›
DE: Kurzfilm ist meiner Meinung nach auch die beste Möglichkeit, um sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit einem Thema auseinanderzusetzen. Nicht nur, aber auch für uns Kuratorinnen und Kuratoren. Beim Spielfilm oder oder in einem längeren Format benötigt man wahnsinnig viel Zeit und läuft auch eher Gefahr, dem Film zu erliegen oder eine emotionale Bindung zum Film entstehen zu lassen. Das ist beim Kurzfilm kaum der Fall, weil er in seiner Konzipierung viel direkter, viel offener sein kann und darf. Wenn man sich überlegt, ob auch andere künstlerische Ausdrucksformen Sinn gemacht hätten, wäre für mich dennoch hier der Kurzfilm das ideale Medium gewesen. Wir gehen auch stark davon aus, dass Kurzfilm das Medium unserer Zeit ist und dieses Medium auch als zentrale künstlerische Ausdrucksform überall präsent ist. Wenn wir die Screens in der U-Bahn sehen oder wenn wir am Handy, am Laptop hantieren, haben wir ständig mit bewegten Bilder zu tun. Und das Ganze wird immer kürzer, kompakter und dichter. Allein das spricht sehr für den Kurzfilm – diese unglaubliche Dichte, in der wahnsinnig viel ausgedrückt werden kann.
Was sind so Erwartungen von eurer Seite, die über die Ausstellungsdauer erfüllt werden können?
DB: Wir haben noch ein paar Rahmenprogrammpunkte vor uns, auf die ich mich schon sehr freue. Da gibt es Podiumsdiskussionen, Gespräche, aber auch Workshops und ein Vermittlungsprogramm. Wir arbeiten auch mit Schulklassen zusammen, die wir eingeladen haben. Ich bin schon sehr gespannt, wie es jüngeren Menschen geht, die sich mit dem Thema beschäftigen.
shaping democracy ist noch bis zum 3. Juni
im Q21 (7., Museumsplatz 1/5) zu sehen. Und zwar
von Dienstag bis Sonntag zwischen 13 und 20 Uhr.
www.q21.at