Anfänge und Mandarinentun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Speakers´Corner

Ich neige dazu, so viel auf einmal sagen zu wollen, dass ein riesiger Stau entsteht. Die Wörter verklemmen sich in meinem Mund und schlussendlich kommt nichts raus. Das passiert hier gerade – nur dass es in einem geschriebenen Text nicht auffällt.
Als ich vor einem Monat gefragt ­wurde, ob ich Teil dieser Kolumne werden möchte, hatte ich 17 ­verschiedene Ideen: von burgenländischen Familienjausen, über asiatisch-diasporische Vampire zu Mandarinen-Schältraditionen und Solidaritätsbekundungen mit den Protestierenden im Iran. Kurzum: Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, einen Raum in einer gedruckten Publikation zu bekommen, wo ich schreiben kann, was ich will!
Hier beginnt allerdings das Dilemma. Womit ­fange ich an? Kann ich wirklich alles schreiben, was ich will? Wenn ich über ein asiatisches Thema schreibe, ­exotisiere ich mich dadurch? Verdrehen die Leute die ­Augen, wenn ich gleich in meiner ersten Kolumne mit Rassismuskritik daherkomme? Als nicht-weiße Person in einer weißen Mehrheitsgesellschaft kann alles, was ich schreibe, zu Stereotypisierungen gegen «meinesgleichen» verwendet werden. Wäre ich ein weißer Cis-Mann, der über seine Vorlieben beim Mandarinenschälen schreibt, würden Leute nie auf die Idee kommen, dass alle weißen Cis-Männer dieser Gewohnheit nachgehen. Aber als asiatisch gelesene Frau muss ich der Erfahrung nach leider befürchten, dass die nette, aufmerksame, ältere weiße Dame beim nächsten Besuch ihres Lieblings-Chinarestaurants die asiatisch gelesene Kellnerin fragt, ob sie ihre Mandarinen auch so schält wie ich. (Nichts gegen ältere weiße Damen! Das soll nur die unhinterfragten Mechanismen von Stereotypisierungen aufzeigen. Oh nein, da komm ich nicht mehr raus – wahrscheinlich hätte ich doch einfach darüber schreiben sollen, warum Deep Space Nine die beste Star-Trek-Serie ist.)