Sachbuch
Mit Psychogeografie hat die in Berlin lebende Literaturwissenschaftlerin Anneke Lubkowitz eine Anthologie zum Thema «Umherschweifen» herausgegeben, die inhaltlich nicht annähernd so spröde ist, wie der Titel befürchten lässt. Hier ganz unakademisch runtergebrochen, beschäftigt sich die Psychogeografie mit den bewussten Wahrnehmungen und Beobachtungen urbaner Fußgänger_innen.
Ins Thema führt Anneke Lubkowitz klassisch mit Grundlagentexten aus dem «situationistischen» Paris der 1960er-Jahre ein, also mit üblichen verdächtigen Autoren wie Guy Debord oder Henri Lefebvre. Der Mittelteil ist der Londoner Psychogeografie-Szene gewidmet, die sich um die letzte Jahrhundertwende herum bildete und höchst lesenswerte Outputs lieferte. Vor dem wunderbar affirmativen Ausklang, dem Manifest für eine neue Kultur des Gehens des britischen Kollektivs Wrights & Sites, fischte die Herausgeberin, wohl ihrer Biografie und dem Verlagssitz geschuldet, noch in der Berliner Flanierszene nach Beiträgen. Diese sind eh okay, aber nicht so knorke wie jene aus London. Nichtsdestotrotz ist Psychogeografie eine Pflichtlektüre für all jene, die es Wrights & Sites gleichtun wollen: «Geben wird dem Wort ‹Ausschweifung› eine neue Bedeutung – nicht mehr ‹Exzess›, sondern ‹zielloses Gehen›.»
Anneke Lubkowitz (Hg.): Psychogeografie
Matthes & Seitz 2020 239 Seiten, 22 Euro