Buchtipp
«In meinem Koffer hatte ich alles nach Größen sortiert. Jedes Kuvert und jeden Umschlag, ob gepolstert oder nicht. Ob rau oder glatt. […] Ob weiß, beige, gelb, graublau oder braun: Ich war die Hüterin der Hüllen.»
Alex empfindet vieles als zu laut, zu durcheinander, zu hektisch, zu nah. Alex ist präziser als die anderen, hat ein sehr gutes Gedächtnis, braucht Ordnung und Gleichmäßigkeit in allem. Wenn am SPAR-Supermarkt ein S fehlt, wenn der Musiksaal plötzlich neu gestrichen ist, woher soll sie wissen, wo sie ist? Und wer sie ist? Sie merkt ja, dass ihr Verhalten die anderen – und vor allem Nina, ihre Mutter – anstrengt. Sie bemüht sich ja, sich anzupassen. Aber schon eine unerwünschte Berührung an der Schulter weckt die «Muräne» in ihrem Kopf: «Immer öfter traute sie sich heraus aus ihrem Versteck und tuschte dabei mit ihrer Schwanzspitze gegen meine Stirn oder knabberte an meinem Unterkiefer.» Wenn es zu viel wird, brüllt Alex. Oder speibt. Oder schlägt sich an den Kopf. Bis Nina endlich da ist, die alles Fallen hält, auch wenn sie dabei manchmal selber stolpert.
Ob die Bedürfnisse, die Alex an ihre Umwelt hat, speziell sind, oder eher die Ansprüche, die an Alex gestellt werden, ein eingeschränktes Verständnis von dem Wörtchen «normal» beweisen, muss man beim Lesen selbst entscheiden. Oder nicht entscheiden. Sondern sich leiten lassen von den Verunsicherungen, zwischen denen Alex und Nina ihren Alltag zunehmend selbstbewusst einrichten. Intelligenter als jedes pädagogische Sachbuch und liebevoller als jeder Elternblog: Mit Das Geheimnis meines Erfolgs ist Margit Mössmer ein Roman gelungen, der Seite für Seite einen Buchpreis verdient.
Margit Mössmer:
Das Geheimnis meines Erfolgs
leykam 2023
285 Seiten, 24,50 Euro